Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das weisse Kaenguruh

Das weisse Kaenguruh

Titel: Das weisse Kaenguruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Praxenthaler
Vom Netzwerk:
lebte es aus. Sie brauchte keine Schminke, aber benutzte welche. Sie war tough. Und erzogen. Und ohne schlechten Geschmack. Sie war da und schien dabei, in jedem Moment bei sich zu sein. Sie wollte und ließ es sich nicht nehmen. Sie war kompromißlos. Sie war unglaublich gefährlich. Obwohl sie darin leicht zu durchschauen war. Aber eben nie ganz. Dafür war sie zu tief.
    Billy liebte sie. Er hatte keine Wahl gehabt. Er war ihr verfallen. Von der ersten Sekunde an und bis zum letzten Augenblick. Er gab sich ihr hin. Mit Kopf, Körper und aller Zeit der Welt. Er teilte mit ihr. Das Sichtbare und das Verborgene. Sogar seine rostigen Geschichten. Er reiste mit ihr in ferne Länder und war mit ihr überall daheim. An ihrer Seite war er stark, weil er an ihrer Seite stark sein durfte. Er hörte ihr zu und konnte sie immer verstehen. Mit ihr schmeckte das Essen köstlicher. Mit ihr betrank es sich schneller. Er liebte es, wenn sie auf dem Rücken lag und er ihre Brüste streichelte. Sie hatte die besten Titten der Welt. Er liebte es, wenn sie auf dem Bauch lag, und er ihren Hintern streichelte. Sie hatte den geilsten Arsch der Welt. Mit ihr zu schlafen war immer am Ende des Universums. Neben ihr aufzuwachen war weiter. Sie war es. Sie war eine Göttin. Er lebte sein Leben in ihrer Welt. Ihr Duft war seine Luft. Er war eins mit ihr. Annabelle war seine Frau. Daran sollte sich bitte niemals etwas ändern. Bis zum 12. Mai 2001. Dann machte es Flatsch! Und alles war vorbei.

Hochdruck.
    Es hatte sich angebahnt und wäre vermutlich auch nicht zu verhindern gewesen. Im vierten Jahr hatte die Beziehung zwischen Billy und Annabelle plötzlich ihre erste ernsthafte Krise. Sie kam schleichend und von hinten, und Schuld wollte mal wieder keiner haben. »Da müssen wir jetzt eben durch«, hatte Billy zu Annabelle gesagt, und Annabelle hatte geantwortet: »Laß es uns versuchen.« Das war der Anfang vom Ende. Danach ging es nur noch bergab. Vor allem mit Billy.
    Er war mittlerweile im 13. Semester seines Studiums angelangt und stand vor einer dringenden Entscheidung. Entweder würde er jetzt endlich mal die Arschbacken zusammennehmen und dieses Elend von BW L-Studium mit einem Kamikazeakt beenden, selbst wenn ihn diese Vorstellung bereits im Vorfeld tödlich nervte. Oder er entschied sich für den schnellen Tod mit netter, beschaulicher Erdbestattung. Den Sarg in Fichte natur mit einem reduzierten Grabkreuz, auf dem »Yeah!« steht, »Ich hab mal BWL studiert.« Das waren die beiden Alternativen. Anstrengen oder verrecken. Dazwischen gab es nichts.
    Billy entschied sich für Kamikaze und wußte, worauf er sich einließ. Sein Weg ins Ziel war ein Parcours mit sechs mächtigen Hürden. Zunächst mußte er eine lächerliche Diplomarbeit schreiben, und das, obwohl er damals noch nicht mal im geringsten wußte, über welches Thema eigentlich. Die Diplomarbeit allein wäre schon ein ordentliches Pfund gewesen, aber danach warteten dummerweise auch noch fünf Examensklausuren, die es ebenfalls zu bestehen galt. Erst dann, mit ganz viel Gott und noch mehr Glück, dürfte er sich »Diplom-Kaufmann« auf seine erste Visitenkarte schreiben.
    Auf den Schnitt kam es dabei übrigens nicht an. Es ging ihm nicht um eine Eins mit Sternchen. Und genausowenig ging es um die Zwei oder um die Drei. Jemand wie Billy,der nach mehr als sechs Jahren Studium immer noch nichts wußte, geschweige denn, warum, der war es gewohnt, immer schön realistisch zu bleiben. Er wollte schließlich nur bestehen. Wenn es um seinen Abschluß ging, wäre er schon mit einem hauchdünnen »ausreichend« Supermann gewesen. Mehr war die hohle Illusion eines weltfremden Phantasten.
    Von ganz alleine kam sein plötzlicher Elan natürlich nicht. »Entspannter Langzeitstudent auf der ewigen Suche nach dem eigenen Ich« war auch kein schlechter Beruf, wenn man ihn fragte. Aber es gab leider Druck von außen. Erheblichen sogar, und zwar gleich von mehreren Seiten. Von seinem Bankkonto, zum Beispiel, denn das Geld, das er von seiner Oma geerbt hatte, war in den letzten Jahren unbegreiflich schnell in alle möglichen Kanäle des bedingungslosen Konsums geflossen. Die Zeit vor Annabelle war schon teuer genug gewesen, und die Zeit mit ihr wurde zunehmend unbezahlbar. Allein die gemeinsamen Reisen fraßen die Penunzen auf wie der Kriegsgefangene die Hühnersuppe. Dazu die immensen Kosten für ein Leben auf der studentischen Luxusliege. Mit fetter Karre und immer gut essen&trinken, mit

Weitere Kostenlose Bücher