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Das weisse Kaenguruh

Das weisse Kaenguruh

Titel: Das weisse Kaenguruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Praxenthaler
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ganze Zeit auf Sie gewartet.«
    Während er sprach, schloß er die Tür auf und winkte Billy zu sich in den Laden.
    »Tee?« fragte er, als Billy drinnen war.
    »Vielen Dank. Sehr nett.«
    »Ja, ja, schön, schön. Aber ja oder nein?« sagte der alte Mann und fuchtelte dabei mit den Armen leicht unkoordiniert in der Luft herum.
    Billy schaute ihm nur irritiert dabei zu.
    »Entschuldigen Sie, aber Sie scheinen mir ein wenig unkonzentriert,mein Freund«, fauchte der alte Mann, als er keine Antwort auf seine Frage bekam. »Hören Sie vielleicht irgendwelche Geräusche?«
    Billy verstand langsam gar nichts mehr.
    »Nein«, sagte er. »Nicht, daß ich wüßte.«
    »Wirklich nicht? Und überlegen Sie gut, was Sie jetzt sagen. Man hat nicht viele Chancen in einem Leben als Mensch. Also noch einmal. Keine Geräusche?«
    »Nein, keine Geräusche«, wiederholte Billy.
    »Da haben wir es. Wenn Sie keine Geräusche hören, dann sind Sie natürlich taub!« rief der alte Mann und fing an zu lachen. »So schnell kann es gehen, nicht wahr? Eine falsche Antwort und schon ist man taub. Ist es nicht zum Verrücktwerden, dieses Leben?«
    Dann lief er ein bißchen im Raum umher und schlug sich dabei ein paar Mal mit der flachen Hand auf die Stirn. Nach einer kurzen Weile der Kontemplation drehte er sich schließlich wieder zu Billy.
    »Thymian oder Rosmarin?« fragte er.
    »Entschuldigung?« fragte Billy zurück.
    »Der Tee. Thymian oder Rosmarin?« stellte der alte Mann seine Frage erneut.
    »Äh …«, sagte Billy und war ein wenig überfordert.
    Der alte Mann rettete ihn.
    »Ist es nicht äußerst unhöflich, eine Frage zu stellen, deren Antwort man schon kennt?« fragte er rhetorisch. »Ihnen ist es natürlich völlig einerlei, wie ich sehe. Aber in welche Richtung sich die Sache auch entwickeln mag, am Ende hätten Sie sicherlich gerne einen Löffel Honig dazu, habe ich recht? Nehmen Sie schon mal Platz, ich schaue sofort in der Küche nach. Vielleicht habe ich ja auch noch einen Rest Brennessel. Obwohl ich Brennesseltee überhaupt nicht mag. Aber manchmal verkauft man sich eben, sie wissen schon …«
    Mit diesen Worten ließ er Billy allein.

Trödeln.
    Der Bigbird mußte wirklich schon sehr lange in diesem Schaufenster gestanden haben, so staubig wie er war. Billy hatte nämlich nicht Platz genommen, wie der alte Mann ihn angewiesen hatte, sondern er hatte sich lieber ein bißchen im Laden umgesehen. Und als erstes war er natürlich zum Bigbird gegangen. Er wollte sich den Vogel, der für ihn so wichtig war, noch einmal eingehend und aus aller Nähe anschauen. Und als er ihm dann kurz von der Seite ins Gefieder pustete, einfach mal so, da stob eine immense Staubwolke heraus und verteilte sich im Raum. Billy bekam es in die Nase und mußte sofort niesen. Mehrmals kurz hintereinander. Anfallartig.
    Abgesehen vom Staub war der Bigbird in einem rundum ausgezeichneten Zustand. Einmal ordentlich abgesaugt und durchgeblasen, würde er wieder aussehen wie frisch geschlüpft, da war sich Billy sicher. Und im Hinblick auf den bevorstehenden Abend beruhigte ihn das sehr. So pustete und nieste er noch ein bißchen weiter, ließ dann aber zufrieden davon ab und setzte seinen Inspizierungsrundgang durch den Laden fort. Der alte Mann konnte jede Sekunde aus der Küche zurückkommen, und bis dahin wollte Billy sich einen Überblick verschaffen. Er wollte wissen, mit welcher Art von Wahnsinnigem er es hier eigentlich zu tun hatte. Am Ende ging es schließlich darum, dem alten Mann den Bigbird für möglichst wenig Geld aus dem Kreuz zu leiern. Und die dafür notwendigen Verkaufsverhandlungen, darauf stellte sich Billy schon mal ein, würden mit Sicherheit anstrengend werden. Der alte Mann war ein Knochen. Da konnte jeder noch so kleine Informationsvorsprung entscheidend sein.
    Der Laden hatte eine Fläche von etwa 80 Quadratmetern, er war bis in alle Winkel vollgestellt, trotzdem war er erstaunlich hell und freundlich, und innerhalb von zwei Minuten hatte Billy mindestens ein Dutzend kleine Sensationen entdeckt.Neben dem Bigbird stand ein Schaukelstuhl im Fenster, der auch ein Klo war; auf einer Jugendstilkommode stand ein rosa Blechhase, der auf Knopfdruck bellte; die Babypuppe daneben war aus Kunststoff, konnte nichts, hatte dafür aber das Gesicht von Franz Josef Strauß; von einem schweren Lüster hing plötzlich ein Schrumpfkopf herunter und schaute Billy aus toten Augen ins Gesicht; zwischen zwei Biedermeierschränken posierte ein

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