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Das weisse Kaenguruh

Das weisse Kaenguruh

Titel: Das weisse Kaenguruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Praxenthaler
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Schlaf auch nicht. Doch da muß man einfach durch. Das ist in der Eifel nicht anders als in der Betty Ford Klinik.
    Der erste Tag ließ sich kaum aushalten, der zweite war eine Tortur und am dritten hatte Billy das Gefühl, für eine einzige Zigarette alles hinschmeißen und lieber jemanden ermorden zu wollen. Auch der Freitag brachte keine grundlegende Verbesserung, obwohl sich gegen Abend sein Stimmungsbild leicht aufzuhellen schien. Allein, der erhoffte Durchbruchwar das noch nicht. Der kam erst am frühen Samstagnachmittag. Und er hatte mit einer Erinnerung und einer konkreten Frage zu tun. Eigentlich hatte Billy die Sache von damals schon vollständig vergessen, doch als er gegen ein Uhr vor dem Schaufenster dieses verkruschten Trödelladens stand, erinnerte er sich plötzlich wieder daran. Die Frage war ganz einfach. Sie hatte mit ihm und mit Annabelle zu tun und sie war bislang ohne Antwort geblieben. Die Frage hieß: Warum spielt der Bigbird aus der Sesamstraße in Deutschland keine Rolle?
    Billy war am Samstag bereits um halb neun aufgestanden und hatte schon die Hälfte seines täglichen Kurprogramms hinter sich, als er unverhofft auf diese Frage stieß und darin die Lösung seiner Probleme fand. Er war mit einem seltsam frischen Gefühl aufgewacht, und wunderte sich, daß er zwar sofort an eine Zigarette dachte, aber nicht mehr das unnachgiebige Verlangen hatte, auch tatsächlich eine zu rauchen. So stand er verständlicherweise zufrieden auf, ging in sein neues Stammcafé zum Frühstücken und fuhr im Anschluß direkt ins Schwimmbad. Pense y, Pierre! Mittlerweile konnte er schon 1500 Meter am Stück schwimmen, und auch nach dem Saunieren fühlte er sich voller positiver Kraft. Langsam mußte man wieder mit ihm rechnen. Er spürte es genau. Und er genoß es.
    Als er aus dem Eifelbad kam, hatte er unbändige Lust auf ein großes, blutiges Rindersteak. Auf die üblichen Beilagen wie Bohnen oder Pommes Frites konnte er dabei gerne verzichten. Es ging ihm allein ums Fleisch. Er wollte ein Steak. Sonst nichts. Billy war schließlich Krieger, und verdient hatte er es sich allemal. So lief er durch Bad Münstereifel und suchte nach einem Restaurant, in dem man verstand, was ein gutes Steak überhaupt ist. Er wäre wahrscheinlich ewig weitergelaufen, wenn es ihn nicht plötzlich gerissen hätte. Er marschierte gerade am Schaufenster des Trödelladens vorbei,warf einen flüchtigen Blick hinein und erschrak. Das gab es ja nicht. Ein Wahnsinn. Da stand tatsächlich der Bigbird aus der Sesamstraße hinter der Scheibe und guckte ihn an.
    Billy guckte zurück. Mensch, der Bigbird! Stand da einfach so in einem Schaufenster herum, angestaubt, umringt von antiken Möbeln und allerlei skurrilem Krimskrams, und schaute zum Fenster raus.
    Das ist die Lösung, schoß es Billy augenblicklich in den Kopf, und er wußte, was zu tun war. Das Schicksal hatte sie zusammengeführt, soviel stand fest, und er mußte den Bigbird unbedingt haben. Er brauchte ihn noch heute und er brauchte ihn für Annabelle. Als Geschenk. Damit wollte er sie doppelt überraschen.
    Er erinnerte sich genau. Es war ungefähr drei Jahre her. Annabelle und er waren damals für zwei Wochen in den USA gewesen, sie waren mit einem Cabrio durch Neu Mexiko gefahren und hatten jeden Abend in einem anderen Motel übernachtet. Und irgendwann lagen sie zusammen im Bett und schauten fern. Billy zappte ein bißchen, und Annabelle wollte die Sesamstraße sehen. Also tat ihr Billy den Gefallen und nach ein paar Minuten stellte sie fest: »Ich finde das so doof. Den Bigbird gibt es nur hier. In Deutschland machen sie die Sesamstraße einfach ohne Bigbird. Kannst du mir vielleicht mal sagen, warum?«
    »Keine Ahnung«, antwortete Billy damals nur und dachte nicht weiter darüber nach. Aber jetzt, als er Auge in Auge mit dem Bigbird dastand, mitten in Bad Münstereifel und nur durch eine Schaufensterscheibe von ihm getrennt, da kam ihm diese Frage plötzlich wieder in den Sinn.
    Seine Entscheidung stand sofort fest. Er würde den Bigbird kaufen und ihn Annabelle schenken. Und zwar noch am gleichen Tag. Auf der Geburtstagsfeier ihres Vaters. Deshalb kam sie ja extra nach Deutschland zurück, hatte sie am Telefon gesagt, und wollte sich bei ihm melden. »Aber warum solange warten?« fragte sich Billy nun und beschloß, in die Offensive zu gehen. Er wollte wissen, ob ihre Beziehung noch eine Chance hatte oder nicht, und ob dieser Pierre nur ein sauschlechtes Gefühl von ihm war

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