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Das weisse Kaenguruh

Das weisse Kaenguruh

Titel: Das weisse Kaenguruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Praxenthaler
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eine Sekunde lang die Frage, ob sich an seinem Plan über Nacht etwas geändert hatte. Nein, seine Entscheidung stand fest wie der Eiffelturm. Er wollte das volle Programm, und die schlechte Laune mußte er eben in Kauf nehmen. Er wußte, worum es ging, er wußte gegen wen, und nicht zuletzt hatte er sich während seines Examens zwar vielleicht die Hälfte seines Gehirns weggesoffen, aber noch lange nicht seinen Stolz und seine Eier. Das würde dieser blöde Kretin von Pierre schon noch früh genug merken. Spätestens in dem Moment, wenn sie Rücken an Rükken auf einer Waldlichtung standen. Billy jedenfalls war zu allem entschlossen, als er sich aus seinem Schlafsack pellte. Er hatte keine Angst vor niemand. Eifersucht war da das reine Testosteron.
    Sein Kurprogramm war Hardcore. Nachdem er gepinkelt hatte, machte er erst einmal fünfzig Liegestütze und brauchte dafür eine gute Viertelstunde. Dann putzte er sich ausgiebig die Zähne und fuhr in die Stadt. Dort setze er sich in einCafé, bestellte sich einen Pfefferminztee, einen frischgepreßten Orangensaft und einen Obstsalat mit Quark. In seiner anfänglichen Euphorie las er dazu sogar die ›Frankfurter Allgemeine‹, kam aber relativ schnell von der Politik zum Sport. Den Wirtschaftsteil ließ er aus. Man mußte es ja nicht gleich übertreiben. Auch nicht als Diplom-Kaufmann.
    Nach der dritten Tasse Tee brach er auf und fuhr ohne Umwege ins Eifelbad. Es war Zeit für etwas Sport. Seine Badehose saß peinlich knapp und schon nach 500 Meter Brust mußte er sich eingestehen, daß er eigentlich nicht mehr konnte. Deshalb ging er sofort weiter in die Sauna und schwitzte sich trocken. Drei mal 15 Minuten bei 90 Grad hielt er immerhin aus, dann ging gar nichts mehr. Es war mittlerweile halb fünf, und er fühlte sich schlecht. »Jetzt eine Kippe, nur eine, nicht mehr, aber die unbedingt und sofort«, dachte er sich und blieb trotzdem hart. Das hier würde kein Kinderspiel werden. Aber er war schließlich schon mitten im Krieg.
    Billy wollte keine Zeit verlieren. Nachdem er das Eifelbad verlassen hatte, fuhr er sofort zum nächstliegenden Getränkemarkt und kaufte sich einen Wasservorrat für die nächsten Tage. Das Gift, das er beim Saunieren nicht rausgeschwitzt hatte, wollte er wenigstens rauspinkeln. Literweise schüttete er sich von nun an das Wasser in den Hals, und seine Nieren kamen in Seenot. Zum Essen gab es dafür nur wenig. Morgens ein vitaminreiches, kalorienarmes und möglichst ballaststoffhaltiges Frühstück, den Tag über mal einen Apfel oder einen Staudensellerie, und zum Abend ausschließlich Salat. Oder, bevor die Blähungen unerträglich wurden, ausnahmsweise Nudeln mit Soße.
    Um seine Entziehungskur zu komplettieren, kaufte er sich in einer Buchhandlung am Ort noch das Zauberbuch von Jim Carr, das ihm Annabelle so oft und nachdrücklich anempfohlen hatte. Nach einem ausgiebigen Spaziergang durch die wunderschöne Eifel war er um kurz vor zehn an seinen Platzzurückgekehrt. Er putzte und zahnseidete sich die Zähne und ging danach sofort ins Bett. Er steckte die Leseleuchte in den Zigarettenanzünder und suchte eine Weile nach einer bequemen Position in seinem Schlafsack. Dann schlug er die erste Seite auf. »Endlich Nichtraucher.« Ein scheiß Gefühl.
    Die folgenden Tage behielt Billy seinen Rhythmus bei. Aufstehen, pinkeln, Liegestütze. Frühstücken, schwimmen, saunieren. Über den Tag möglichst wenig essen, dafür maximal viel trinken. Am Abend noch einen ausgedehnten Spaziergang und vor dem Schlafengehen eine kopfgerechte Portion Jim Carr. Es war wie ein Aderlaß und es wirkte Wunder. Am Mittwoch bemerkte Billy zum ersten Mal, wie sehr er eigentlich stank. Am Donnerstag konnte er bereits riechen, wie der Gestank besser wurde. Und ab Freitag kam sogar wieder etwas Luft in seine Lungen. Sein Urin verlor allmählich die ungesund gelbe Farbe und auch die Poren in seinem Gesicht schienen sich ein wenig zu verengen. Das gesunde Leben an der frischen Luft von Bad Münstereifel ohne Alkohol, Nikotin, Teer, Kaffee und Fertigpizza tat ihm erschreckend gut, und Gewicht machte er auch. Drei Kilo in fünf Tagen waren kein schlechtes Ergebnis. Nur sein vegetatives Nervensystem machte Zicken. Wer so plötzlich und noch dazu vollständig auf seine täglichen Drogen verzichtet, der darf sich über miese Laune und innere Hektik nicht beschweren. Und über ärgerliche Begleiterscheinungen wie Kopfschmerzen, Gliederzittern, Muskelkrämpfe und schlechten

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