Das weisse Kaenguruh
ausgestopfter Grizzlybär, dem ein Schild um den Hals hing, auf dem »Dieser Bär heißt Bea« stand; die beiden Revolver, die Bea der Bär lässig in den Tatzen hielt, schienen geladen; beim Schachspiel auf dem Mahagonitisch standen sich passend dazu Cowboys und Indianer gegenüber.
Billy stöberte. Es war die reinste Einladung. Er fühlte sich sofort aufgehoben und tauchte ab. Er stromerte durch den Laden, schaute hier, probierte das, ging schnell weiter, lachte, wunderte sich, kratzte sich die Stirn, und dachte sich gerade, daß Trödler auch ein Traumberuf war, als er dem Teufel begegnete. Der Teufel kam in Form einer gymnastikballgroßen Weltkugel daher, die innen mit blauem Samt ausgeschlagen und dezent beleuchtet war. Dort standen die Flaschen und Gläser, daß Billy auf der Stelle einen Durst bekam. Jetzt ein Whiskey, dachte er sich beim Anblick der schönsten Hausbar, die er je in seinem Leben gesehen hatte. Und eine Kippe.
Er blieb trocken.
»Was halten Sie von einem heißen Kakao?« fragte der alte Mann nämlich von hinten.
Billy hatte ihn nicht kommen hören und daher eine Flasche Malt schon mal in der Hand. Wie ein kleiner Junge der katholischen Landjugend auf Wochenendfahrt, der vom mitreisenden Pfarrer beim Onanieren erwischt wird, drehte er sich um.
Der alte Mann stand mit zwei Bechern vor ihm und grinste.
»Den Honig habe ich schon hineingerührt«, sagte er, als hätte er es geahnt. »Ob ein Eßlöffel reicht?«
»Bestimmt«, antwortete Billy wie in Trance, stellte die Flasche zurück und griff sich den Becher Kakao, den ihm der alte Mann hinhielt.
Dann war es still und nichts bewegte sich.
»Und?« unterbrach der alte Mann nach einer Weile die stehende Peinlichkeit. »Haben Sie denn was Schönes gefunden?«
»Nicht wirklich«, stotterte Billy los. »Also, doch. Natürlich! Ich habe auch nur, ich meine, ich wollte bloß … ich habe mich ein bißchen umgesehen, wissen Sie? Einen tollen Laden haben Sie hier, wirklich. Tolle Sachen.«
»Das Schöne am Trödeln ist das Schöne«, sagte der alte Mann. »Und natürlich das Trödeln. Aber kommen Sie, gehen wir nach nebenan. Ich habe den dringenden Eindruck, daß wir uns ein bißchen kennenlernen sollten. So jemanden wie Sie hat man schließlich nicht alle Tage zu Besuch. Schmeckt Ihnen der Kakao? Sie trinken ja gar nicht.«
Freizeichen.
Der alte Mann war ein perfekter Gastgeber und hatte wirklich mächtig einen an der Klatsche. Mehr noch, als Billy am Anfang vermutet hatte. Der alte Mann stellte sich mit »Johann, Freier Herr von den Maaren« vor, und bestand darauf, daß Billy ihn einfach nur Johann nannte. Denn eigentlich sei er als Großfürst in die Welt gekommen, wie er mit großem Engagement und verdächtig schnell erklärte, habe sich aber schon seit jeher dem Leben der einfachen Menschen zugehöriger gefühlt als der faden, weil vorhersehbaren Existenz in den für ihn vorgesehenen Kreisen des Hochadels. Deshalb, so führte er weiter aus, sei er vor vielen Jahren von Südosten her in die Eifel gekommen, habe sich in Bad Münstereifel niedergelassenund sich der lokalen Gegebenheiten wegen selbst degradiert.
»Der Titel des ›Freien Herren‹ ist für den Menschenschlag in dieser Gegend vollkommen ausreichend«, sagte er und schaute etwas verklärt dabei.
»Wissen Sie, mein Freund, das Volk in der Eifel ist noch so angenehm von Ehrfurcht erfüllt. Da wäre es doch wohl falsch, diesen Frieden aus purer Eitelkeit zu stören, meinen sie nicht? Ein Großfürst gehört nicht in die Eifel. Das Große muß das Kleine zwar leiten, aber dafür muß es weit genug weg sein, nicht wahr? Wenn also das Große in das Kleine selbst eindringt, aus welchen Gründen auch immer, muß es schrumpfen. Anders geht es nicht. Im Kleinen wirkt das Große nur, wenn es sich zurücknimmt. Sonst kommt alles nur aus seinem Gleichgewicht. Aber das ist Ihnen freilich bekannt, und ich will Sie auch nicht weiter mit diesen Allgemeinplätzen langweilen. Sie haben das alles selbstverständlich schon lange durchschaut. Und außerdem ist die Frage, warum Sie meinen Bigbird kaufen wollen, im Moment auch von wesentlicherer Bedeutung für Sie, habe ich recht?«
»Äh, ja. Genau!« sagte Billy und war erleichtert.
Endlich schien das Gespräch in die richtige Richtung zu laufen. Billy hatte schließlich einen Auftrag. Er war hier, um seine Liebe zu retten. Und das erforderte im Moment seine volle Konzentration. Nett plaudern konnte man später noch.
»Jeder Wunsch wird
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