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Das weisse Kaenguruh

Das weisse Kaenguruh

Titel: Das weisse Kaenguruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Praxenthaler
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zumindest vorne gebügelt. Sogar ein Sakko hatte er sich angezogen. Sein einziges. Blauer Samt mit roten Lederflicken auf den Ärmeln. Er hatte es irgendwann einmal in einer Londoner Second-Hand-Boutique gekauft. Für umgerechnet 150 Mark und für besondere Anlässe. So wie heute. Im Vergleich zu den anderen Geburtstagsgratulanten stank sein Outfit trotzdem mächtig ab. Die Herren kamen ausschließlich in sündteuren Anzügen und edlen Krawatten daher, und die Ladies sahen allesamt aus, als kämen sie gerade vom kollektiven Shopping an der 5th Avenue. Zum Glück hatte sich Billy vorher noch kurz rasiert. Trocken und auf eine Länge von um die drei Tage.
    Er entschied sich für den direkten Weg. Er hatte sich schließlich lange genug auf diesen Moment vorbereitet und wußte, was zu tun war. Nur was ihn erwartete, das wußte er nicht. So zog er den Bauch ein, spannte die Schultern nach hinten, schob die Brust heraus und ging mit leicht angestrengtem, aber festem Schritt zur Tür. Ding-Dong!
    Die nächste Hostess öffnete und bat ihn herein.
    »Guten Abend«, sagte sie und lächelte wie Perlweiß.
    »Abend«, sagte Billy und lächelte nicht.
    Was man nachvollziehen konnte. Kreuzer stand mit seiner Frau in der Eingangshalle und unterhielt sich angeregt mit ein paar seiner Gäste. Das konnte er wie kein Zweiter. Unterhalten. Sich und alle anderen. Da war er Pfau und schlug seine Räder. Billy hatte es oft genug mitbekommen in den letzten Jahren. Rudolf W. Kreuzer war einer der wenigen, der sich nicht nur in Gesellschaft bewegen konnte, sondern lieber gleich die ganze Gesellschaft bewegte. Darin war er Meister. In jeder Situation war er der leibhaftige Mittelpunkt und die einzige Instanz. Erhaben über alles und jeden, charmant und trotzdem messerscharf, stets lustig und niemals drüber. Ein moderner Mann der alten Schule, erfolgreich und vollgestopft mit unumstößlichen Prinzipien, daher in der Bewertungseiner Umwelt äußerst kompromißlos, vordergründig betont liberal und hintenrum leider alles andere.
    »Rein ins Vergnügen«, sagte sich Billy und wollte es einfach nur hinter sich bringen. So ging er direkt auf das Geburtstagskind zu, nahm prophylaktisch und der guten Sitten wegen die Hand aus der Hose und zupfte sich ein letztes Mal das Sakko zurecht. Man kannte sich schließlich. Seit sehr langer Zeit. Und gar nicht mal schlecht, wie Billy fand. Für ein »Du« allerdings dann doch zu wenig. Irgendwo hatte der Spaß für R. W. K. eben seine Grenze.
    »Herzlichen Glückwunsch, Herr Kreuzer«, sagte Billy bemüht souverän und unterbrach damit die Runde in ihrer Unterhaltung.
    Alle schauten ihn an.
    »Guten Abend, Frau Kreuzer. Guten Abend die Damen. Guten Abend die Herren«, begrüßte Billy den Rest und wahrte damit die Form.
    »Hallo Billy«, sagte Frau Kreuzer knapp und sichtlich erstaunt.
    Hände wurden nicht geschüttelt.
    »Billy«, sagte Herr Kreuzer ebenso erstaunt wie seine Frau. »Sie werden ja immer schöner. Was für eine Überraschung! Mit Ihnen habe ich gar nicht gerechnet.«
    »Um ehrlich zu sein, ich auch nicht«, sagte Billy.
    Dann ergriff Herr Kreuzer die Initiative, um die unverhoffte »Überraschung« vor seinen Gästen aufzulösen.
    »Darf ich vorstellen. Dieser attraktive junge Mann ist Billy Büttgen. Was soll ich sagen? Er ist seit einigen Jahren ein glühender Verehrer meiner Tochter.«
    Die Runde dachte sich »Aha!«
    »Dann sind wir ja schon zu zweit«, scherzte ein älterer Herr in blauen Nadelstreifen und mit weißem Einstecktuch in der Reverstasche.
    Der Witz kam an und alle lachten.
    Außer Billy.
    »Ich habe da übrigens noch etwas für Sie«, versuchte er die Sache abzukürzen und hielt Herrn Kreuzer seine Flasche hin. »Ist nur eine Kleinigkeit. Aber wie sagen Sie doch immer so schön? ›Mit einem Roten im Keller, findet man seine Leichen schneller.‹«
    »Mit einem Roten im Keller, findet man seine Leichen schneller«, wiederholte jemand und begeisterte sich in Rage. Wieder dieser Nadelstreifentyp. »Rudolf, Rudolf! Das ist ja großartig. Ich wußte gar nicht, daß du mittlerweile auch unter die Dichter gegangen bist. Den Spruch muß ich bei der nächsten Gelegenheit verwenden, wenn du nichts dagegen hast. Am besten gleich Mittwoch. Da treffe ich meinen Vermögensberater.«
    »Tu dir keinen Zwang an, Konstantin. Worte sind zum Klauen da. Und du warst schließlich schon immer der größte Gauner von uns allen«, sagte Herr Kreuzer wie immer großzügig. Dann nahm er Billy die

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