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Das weisse Kaenguruh

Das weisse Kaenguruh

Titel: Das weisse Kaenguruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Praxenthaler
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der Rohbau fertig, geriet der Bauherr nämlich in finanzielle Schwierigkeiten und mußte sich von seinem Baby verabschieden.
    Mit schlimmen Folgen. Der Kaiserbau wurde nie fertiggestellt.Von Zeit zu Zeit wurde immer mal wieder über eine Wiederaufnahme der Bauarbeiten diskutiert, aber am Ende scheiterten alle Versuche an einer einzigen, aber zentralen Frage: Wer brauchte ein Hotel dieser waghalsigen Dimension, und noch dazu in einem gottverlassenen Nest wie Troisdorf?
    »Keine alte Sau«, war die Antwort, und so blieb den armen Troisdorfern nichts anderes übrig, als sich mit der Bauruine zu arrangieren. Und sie taten es. Ungern, aber wenigstens mit einer ganz eigenen Art von Humor. Endlich hatte man ein unübersehbares Wahrzeichen, das der Stadt an der Agger außerdem zu einem gewissen Ruhm verhalf, von dem man schon immer geträumt hatte. Vor allem bei den Autofahrern kam der Kaiserbau extrem gut an. Jeder, der über die A 59 an Troisdorf vorbei in Richtung Norden oder Süden fuhr, kam unweigerlich daran vorbei. Und wenn sein Blick auf den todgrauen Betonklotz fiel, war sofort klar – das hier muß Troisdorf sein. Herzlich willkommen!
    Für die Eingeborenen hatte der Kaiserbau übrigens noch zwei weitere Vorteile zu bieten, die man nicht unterschätzen durfte. Zum einen wurde den Kindern der Stadt der wahrscheinlich größte Abenteuerspielplatz der Welt geschenkt, zum anderen wurde den Selbstmördern der Stadt eine schwierige Entscheidung sehr leicht gemacht. Ein Sprung vom Kaiserbau kostete nichts, dauerte etwa sechs Sekunden und bot eine letzte Aussicht, die in der Umgebung sonst praktisch nicht zu finden war.
    Als der Stadtrat 1997 die Sprengung beschloß, hatte diese Entscheidung zwar viele Freunde, aber auch einen mächtigen Gegner. Alarmiert trat der rheinisch-fröhliche Künstler HA Schult auf den Plan, witterte mal wieder seine Chance und präsentierte plötzlich eine bemerkenswerte Alternative. Statt zu sprengen schlug er vor, den Kaiserbau zu einem Kunstwerk umzufunktionieren. Die Idee wurde begeistert aufgenommenund mit Hilfe der Deutschen Post AG dann auch in eine bunte Realität umgesetzt.
    Im Frühjahr 1999 wurde der Kaiserbau dem Sponsor zuliebe postgelb angestrichen und HA Schult behängte die Fassade mit 130 großflächigen Bildern berühmter Persönlichkeiten wie Petrus, Lenin oder Barbie. Er taufte sein Werk »Hotel Europa« und gab den Troisdorfern damit ein neues, international klingendes Selbstwertgefühl. Von der feierlichen Einweihung berichteten Journalisten aus aller Welt, und alle waren glücklich und zufrieden. Zwei Jahre lang. Dann war der Spuk vorbei. Die prophezeiten Besucherströme waren ausgeblieben, der Spaß rechnete sich plötzlich doch nicht, und die endgültige Sprengung blieb die einzige Lösung. Was irgendwie schade war, denn damit konnte die beste Idee nicht mehr realisiert werden. Ein unbekannter Troisdorfer hatte sie in seiner Stammpinte nach neun Herrengedecken angeregt. Die Idee hatte einen einfachen Namen und sehr viel Charme. »Christo verpackt HA Schult!« Gesponsert von Tetra Pak.
    Für eine derartige Cross-Over-Performance war es nun jedoch endgültig zu spät. Der zuständige Sprengmeister Uwe Jacobs machte eine typische Handbewegung und verwandelte den ehemals so stolzen Kaiserbau binnen weniger Sekunden in einen 40 000 Tonnen schweren Schutthaufen Geschichte. Mehr als zwanzigtausend Schaulustige guckten dabei zu und klatschten Beifall. So ein Spektakel bekam man in Troisdorf schließlich nicht alle Tage zu sehen.
    Billy hatte derweil ganz andere Probleme. Der Donnerhall der Explosion war noch nicht verhallt, da sprang er schon aus dem Bett und rannte wie ein Besessener in Richtung Badezimmer. Es war der Brechreiz, der ihn trieb, und er kam plötzlich und mit außergewöhnlicher Vehemenz. Sein Mageninhalt wollte ins Freie. Augenblicklich. Und obwohl Billy den Ernst der Lage sofort erkannt hatte und infolgedessen mächtig aufsTempo drückte, schaffte er es nicht. Die rettende Kloschüssel war nur noch wenige Meter entfernt, als er vor dem Willen seines Körpers kapitulieren mußte und vom Blitz getroffen zu Boden ging wie seinerzeit George Foreman in Zaire.
    Was folgte, war schlicht ekelhaft. In dem Moment, als er die Tür zum Badezimmer aufstoßen wollte, überkam es ihn, und er konnte nichts dagegen tun. Plötzlich und ohne Vorwarnung schoß ihm die Kotze in einer armdicken Fontäne aus dem Mund. Unkontrolliert, unaufhaltsam und von da an in einem fort. Er

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