Das weisse Kaenguruh
in kürzester Zeit in einen Haufen pures Nichts aufgelöst, der stank und bitter schmeckte wie hochprozentige Galle. Wie hypnotisiert lief er in die Tanke hinein, griff sich eine Flasche Tullamore Dew aus dem Regal und verlangte zusätzlich nach zwei Packungen Rothändle ohne Filter und einem Feuerzeug. Dann zahlte er, bar und wortlos, ging auf wackeligen Beinen zum Auto zurück, setzte sich resigniert auf die Motorhaube, steckte sich die erste Kippe an, zog den Rauch so tief in seine Lungen, wie es nur ging, und ließ im Anschluß den Whiskey in sich hineinlaufen, als wäre er der leibliche Sohn von Dean Martin und Frank Sinatra.
Das half. Einige Minuten, vier Schlucke und eine drittel Flasche später kam Billy langsam wieder zu sich. Der Alkohol hatte sich mit rasender Geschwindigkeit in seine Blutbahn geschlagenund bewirkte Unglaubliches. Statt den Parkplatz der Tankstelle und die gesamte nähere Umgebung in ein Meer aus Tränen zu verwandeln, was das Natürlichste der Welt gewesen wäre, saß Billy in sich gekehrt auf seiner Motorhaube und braute eine unendliche Wut zusammen. Wut auf Annabelle und diesen Pierre, Wut auf das Leben und den Lieben Gott, und vor allem Wut auf sich selbst. Es war sein Stolz, den der beginnende Rausch da plötzlich wieder zum Leben erweckte und seinen Herzschmerz innerhalb kürzester Zeit in ein kategorisches »Ihr könnt mich doch alle mal« verwandelte. Und dabei liebte er Annabelle natürlich noch. Und wie! Auch jetzt noch hätte er sich nichts sehnlicher gewünscht, als mit ihr zusammenzusein und nach einer rauschenden Wiedervereinigung in eine gemeinsame Zukunft durchzustarten. Aber viel schlimmer als das unerträgliche Gefühl, daß es damit wohl nie wieder etwas werden würde, war die Wut auf die Art, wie sie seiner Liebe soeben die Fresse poliert hatte.
»Laß uns Freunde bleiben«, sagte Billy laut vor sich hin und nahm den nächsten, kräftigen Zug aus der Flasche.
Nach einem weiteren Schluck sprang er wutentbrannt von der Motorhaube und setzte sich wieder hinters Steuer. So billig wollte er sich auf keinen Fall geschlagen geben. Wie hatte Johann, der Freie Herr von den Maaren, noch gesagt? Der Kampf ist wichtig, der Sieg spielt keine Rolle.
Kurze Zeit später stand er wieder bei Annabelles Vater vor der Tür und hatte alle Lampen an. Er hatte sich mittlerweile mehr als eine halbe Flasche Whiskey reingeknallt und dementsprechend eingeschränkt war seine Zurechnungsfähigkeit.
»Da bin ich wieder«, sagte er zu den Begrüßungshostessen, als er mit der Flasche in der Hand an ihnen vorbeistolperte. »Und jetzt bringen wir mal ein bißchen Schwung in diese müde Veranstaltung, was?«
Dabei griff er sich zur Abwechslung ein schnelles GlasSchampus, leerte es in einem Zug und schmiß es danach in einem hohen Bogen über seine Schulter.
»Hossa!« rief er, als das Glas mit lautem Klirren auf der Straße landete.
Dann schlug er die Hacken zusammen, salutierte und lief in leichten Schlangenlinien in Richtung Haustür. Die beiden Hostessen schauten ihm irritiert hinterher.
Als er in die Halle der Villa kam, dachte sich Billy erst einmal: »Nanu?« Die Halle war nämlich leer. Und auch im Wohnzimmer konnte er keinen Menschen finden. Nur eine Gruppe von fünf Hostessen stand im Kreis herum und unterhielt sich. Zielstrebig torkelte er auf die Mädels zu und versuchte der Sache auf den Grund zu gehen.
»Prost, ihr Süßen«, sagte er, riß einer Hostess ihr Glas aus der Hand und nahm einen Schluck. »Könnt ihr mir mal sagen, was hier läuft? Wo sind denn die ganzen Arschlöcher?«
Die Hostessen starrten Billy an wie die Eingeborenen den Missionar mit der Bibel und sagten erst einmal nichts.
»Na kommt schon, raus mit der Sprache. Wo hat sich die Bagage versteckt?«
»Die sind alle im Zelt«, meldete sich nun ein ganz besonders reizendes Exemplar. »Ich glaube, da werden gerade ein paar Reden gehalten.«
»Wie rührend«, sagte Billy. »Das Geburtstagskind lebe hoch, was? Na, da will ich mich doch gerne anschließen. Und ihr, ihr bleibt schön hier und benehmt euch, verstanden?«
Dann setzte er sich in Bewegung und lief in Richtung Garten. Vor der Terrassentür machte er allerdings noch einmal kurz halt, schnappte sich den Vorhang und schneuzte mit großem Hallo hinein.
Im Partyzelt war die Hölle los. Billy hatte sich lautlos einen Platz in der letzten Reihe gesichert und sich damit direkt neben dem Buffet postiert. Was Sinn machte. Erstens hatte er Hunger und außerdem
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