Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das weisse Kaenguruh

Das weisse Kaenguruh

Titel: Das weisse Kaenguruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Praxenthaler
Vom Netzwerk:
seine kleine Aktion danach sofort abgebrochen. Kontrolliertes Kotzen, sozusagen. Aber es reichte, um das bis dahin äußerst runde Fest umgehend ins Chaos zu stürzen. Die Empörung bei den Gästen war außerordentlich und die Reaktionen sehr menschlich. Sofort stürmten einige Herren zu Billy auf die Bühne und trieben ihn wie einen Aussätzigen ins Freie und durch den Garten aufdie Straße. Er wurde gestoßen und geschubst, getreten und geschlagen, beschimpft und von einem Herrn sogar bespuckt. Und als er endlich entsorgt war und alle wieder ins Haus zurückgegangen waren, weil sie dachten, er hätte endlich genug, betrat zu allem Überfluß auch noch Pierre die Szenerie und wollte unbedingt den Helden spielen. Er fühlte sich dazu berufen, die Ehre seines Schmetterlings wiederherzustellen und forderte Billy daher zum Kampf heraus. Der konnte darüber nur lachen.
    »Dann schlag halt zu, wenn du dich traust«, forderte Billy ihn heraus.
    »Hört sofort auf. Beide. Auf der Stelle«, schrie Annabelle, die in diesem Moment nach draußen gekommen war.
    »Halt disch da bitte raus, Papillon«, sagte Pierre. »Für das, was er getan hat, muß er büßen. Das kann isch mir nischt gefallen lassen.«
    Dann schlug er tatsächlich zu und traf Billy am Kinn.
    »Potzblitz«, sagte Billy und hielt sich den Kiefer. »War das alles?«
    »Ah, non«, sagte Pierre, schäumte vor Wut und holte ein zweites Mal aus.
    Diesmal traf er allerdings nicht mehr. Billy, der alte Kämpfer, hatte nur einen kleinen Schritt zur Seite gemacht und seinen Gegner damit ins Leere schlagen lassen. Pierre kam ins Stolpern und fiel nach vorne über. Und während er fiel, gab ihm Billy einen kurzen, aber effektiven, weil knallharten Haken aufs Auge mit. Coach Ali hätte getanzt, so schön.
    Das war’s dann. Der Kampf war damit zu Ende. Pierre ging zu Boden und k. o.
    »Das nächste Mal überleg dir vorher, mit wem du dich einläßt, Arschloch«, sagte Billy zu Pierre hinuntergebeugt mit ausgestrecktem Zeigefinger.
    Dann packte er ihn unter den Armen und half ihm wieder auf die Beine.
    »Und jetzt verpißt euch. Alle beide!« sagte er schließlich und meinte es ernst.
    Annabelle tat ihm den Gefallen. Sie legte den Arm um Pierre und ging mit ihm zurück ins Haus.
    Und dann zeigte sie noch einmal ihre wahre Größe. Unter Tränen flehte sie ihren Vater an, um Himmels willen die Polizei aus dem Spiel zu lassen, obwohl er bereits den Hörer in der Hand hatte. Sie werde das schon regeln, sagte sie. Sie werde Florian anrufen, Billys besten Freund, der würde sich um alles kümmern. Und weil sie dabei nicht aufhören wollte zu weinen, gab Herr Kreuzer sich dann doch noch einen Ruck. »Du hast eine halbe Stunde«, sagte er. »Keine Minute mehr.«
    »Danke, Papa«, sagte Annabelle, nahm ihrem Vater den Hörer aus der Hand und rief Florian an.
    Es war das letzte, was sie für Billy tun konnte.

Der Teufel scheißt immer auf den dicksten Haufen.
    »Ich hau ab«, sagte Billy wie aus dem Nichts und hatte es sich gut überlegt. Es war immer noch Sonntag, mittlerweile gegen halb fünf am Nachmittag, er lag mit Florian auf dem Bett in seiner Datsche und zusammen zogen sie sich ein paar Videos rein. Die besten Kämpfe von Ali, Wallace & Gromit, alte Folgen der Muppets. Die Art von Unterhaltung. Billy wollte einfach nur abschalten und bloß nicht mehr dran denken.
    Dann wurde die Idylle plötzlich gestört. Waldorff und Stettler waren gerade an der Reihe, als unverhofft das Telefon klingelte. Billy ging trotzdem ran. Die letzte Nacht noch im Kopf, im Herz, in der Lunge, im Blut und in den Knochen stand er auf, fühlte sich wie ein überfahrener Hund und fand den Hörer schließlich in einem Haufen alter Wäsche. Es war sein Vater. Das Gespräch war sehr kurz.
    Billy sagte eigentlich nur an zwei Stellen was. »Hallo«, als er abhob und »Fick dich selbst«, als er auflegte. Mehr gab es nicht zu sagen. Als das Gespräch zu Ende war, warf er den Hörer zurück in den Wäschehaufen, holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank, steckte sich eine Kippe an und legte sich wieder hin. Er wollte nur noch seinen Frieden finden. Doch es blieb beim Versuch.
    Das Telefonat mit seinem Vater hatte ihm gerade noch gefehlt. Es kam zur absoluten Unzeit und setzte ihm mal wieder ein Ultimatum. Diesmal wirklich das letzte. Binnen vier Wochen habe er sich zu entscheiden, sagte sein Vater, ob er nun endlich in die Firma einstieg, verdammt noch mal. Wenn nicht, sagte sein Vater weiter, seien sie halt

Weitere Kostenlose Bücher