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Das weisse Kaenguruh

Das weisse Kaenguruh

Titel: Das weisse Kaenguruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Praxenthaler
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waren die angebotenen Speisenwirklich exquisit. Vor allem die Meeresfrüchte, die Annabelles Vater ihm so wärmstens empfohlen hatte, machten einen hervorragenden Eindruck. Da hatte der alte Kreuzer nicht zuviel versprochen. Und so fing Billy an zu naschen. Ohne Rücksicht auf die feinen Sitten griff er mit seinen ungewaschenen Fingern in die Warmhaltebehälter und stopfte sich erst einmal richtig voll. Das Olivenöl lief seine Finger herunter und in seinem Mund toste der Speichel.
    Es schmeckte köstlich. Scampi, Jakobsmuscheln, Tintenfisch, alles vom Grill und alles reichlich. Dazu frisches Weißbrot italienischer Provenienz und eiskalter Weißwein aus Deutschland. Statt Whiskey. Davon hatte er nämlich fürs erste genug. Er wollte seiner Leber eine kleine Entspannungsphase einräumen. Und außerdem paßte ein schöner Riesling zu Fischgerichten einfach besser als ein mittelmäßiger Whiskey aus Irland.
    Wenn ihn jemand beim Essen beobachtet hätte, wären die Noten für seine Manieren unter aller Sau gewesen. Er fraß wie ein Schwein und rülpste auch ein bißchen. Aber das interessierte im Moment niemanden. Dicht an dicht gedrängelt stand die ganze, feine Gesellschaft herum und richtete ihre Aufmerksamkeit ausschließlich auf das Geschehen auf der Bühne. Obwohl dort nicht mal die Musik spielte. Die achtköpfige Combo in weißen Showanzügen, die aussah wie ein Vorauskommando von James Last, hatte Pause. Die Zeit für die Reden war gekommen, und als Billy ins Zelt stolperte, hatte das Wort gerade ein kleiner Dicker aus Hessen. Er ließ das Geburtstagskind in Reimen hochleben und erntete für seinen Auftritt viele Lacher und am Ende großen Applaus. Sein Vortrag schloß mit einem Kompliment, dem alle nur beipflichten konnten. »Der Rudi, des ist doch der Beste«, begann er sein tollkühnes Finale. »Drum klatscht jetzt bitte alle feste. Denn jeder in dem Zelt herinne denkt ganz bestimmt in meinem Sinne.«
    Und danke schön! Da klatschte man gerne und alle hatten ein ganz super Gefühl. Nur Billy nicht. »Und jeder in dem Zelt herinne kriegt gleich eins in die Fresse rinne«, murmelte er vor sich hin und spülte mit einem kräftigen Schluck Riesling zwei Jakobsmuscheln herunter. Sein Ärger legte sich jedoch schnell. Denn während die Festgäste immer noch klatschten und vereinzelt sogar »Zugabe« gerufen wurde, hatte er plötzlich diese Idee. Warum halte ich nicht auch eine kleine Rede? fragte er sich und war sofort begeistert. Er hatte schließlich was zu sagen. Die unmittelbare Vergangenheit schrie förmlich nach ein paar klärenden Worten, und in der richtigen Stimmung dafür war er auch. Streng an der Grenze zum besinnungslosen Vollrausch und damit genau an dem Punkt, wo sich der echte Trinker am wohlsten fühlt. Und vor allem da, wo er seine besten Momente hat. Nur wer richtig blau ist, sagt genau das, was er denkt und wirklich fühlt.
    Billy schoß sich noch kurz das restliche Gläschen Riesling rein und machte sich danach sofort auf den Weg zur Bühne. Er hielt sich zunächst hart links am Rand des Zeltes und bahnte sich anschließend mit einiger Mühe eine Schneise durch die dichtgedrängte Gästeschar, trat dabei in einer Tour auf irgendwelche Füße, stolperte und rempelte, mußte sich ständig an allem festhalten, was er zu fassen bekam, und hatte einige Freunde weniger, als er nach einer guten Minute in der ersten Reihe angekommen war. Ohne weitere Zeit zu verlieren, kletterte er nun auf die Bühne hinauf und ging zielstrebig zum Mikrophon. Sein Vorredner hatte das Podium nämlich gerade wieder verlassen, um dem Geburtstagskind noch einmal persönlich und per Handschlag zu gratulieren, und die Gäste warteten schon gespannt auf den nächsten Beitrag. Die Situation war also günstig.
    »Test, Test, Schwangerschaftstest!« schmetterte er zur Einleitung ins Mikro.
    Ein guter Einstieg, wie er feststellte. Er war kurz, präzise und sorgte umgehend für Totenstille.
    Herr Kreuzer reagierte als erster. Als er realisierte, wer da gerade auf der Bühne stand, kletterte er sofort hinterher und versuchte Billy das Mikrophon aus der Hand zu reißen.
    »He, he, he«, sagte Billy und ließ nicht los. »Mal nicht so hektisch, Herr Kreuzer, ja?«
    »Geben Sie mir das Mikrophon, Billy. Sofort!« sagte Herr Kreuzer bestimmt.
    »Aber ich will auch eine Rede halten.«
    »Ich glaube, das ist keine gute Idee. Also, geben Sie mir jetzt auf der Stelle das Mikrophon.«
    Im Zelt wurde es unruhig. Man spürte, daß hier etwas

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