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Das weisse Kaenguruh

Das weisse Kaenguruh

Titel: Das weisse Kaenguruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Praxenthaler
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in die falsche Richtung lief, und natürlich war man auf der Seite des Gastgebers. Der bekam die Situation aber leider nicht mehr in den Griff, denn erstens ließ Billy das Mikrophon partout nicht los und zweitens kam ihm unerwartet jemand zu Hilfe.
    »Laß ihn doch seine Rede halten, Rudolf«, rief plötzlich einer, so daß es alle hören konnten. »Wir wollen schließlich auch wissen, was uns die Jugend über dich zu sagen hat, oder?«
    Es war der kleine Dicke von vorher, der Billy da unverhofft zur Seite sprang, und er hatte Erfolg damit. Denn spätestens, als der zweite Gast »Genau! Laß die Jugend reden!« forderte, kippte auf einmal die Stimmung, und der alte Kreuzer knickte ein. Er wußte, daß er Billy jetzt nicht mehr von seinem Vorhaben abbringen konnte, ohne einen handfesten Eklat zu provozieren. Und das wollte er natürlich auf keinen Fall.
    »Schon gut, schon gut«, beruhigte er die Menge. »Dann soll er eben seine Rede halten. Wenn es unbedingt sein muß.«
    Dann flüsterte er Billy noch ein unmißverständliches »Ich warne Sie« ins Ohr und verließ damit die Bühne.
    Billy beeindruckte die Warnung nicht im geringsten. Wenn er etwas nicht hatte, in diesem Moment, dann war es Angst. Vor wem auch und warum? Er hatte ja schon alles verloren. Und so schaute er sich einen Moment lang um, schaute in all die gespannten und gelifteten Gesichter, schaute durch sie hindurch, schwankte ein wenig auf der Bühne hin und her, räusperte sich, steckte die Hand in die Hose, ließ seinen Blick suchend noch ein bißchen weiter schweifen, erblickte plötzlich Annabelle, sah sie neben Pierre stehen, mußte bei diesem Anblick aufstoßen, räusperte sich erneut, dachte einen Augenblick lang nach, nahm die Hand noch einmal aus der Hose heraus, kratzte sich am Kopf, steckte sie wieder in die Hose hinein, fing an zu grinsen und legte los. Es sollte die erste Rede seines Lebens sein. Und fürs erste auch die letzte.
    »Tach zusammen«, begann er den Vortrag. »Und tschuldigung, wenn ich etwas undeutlich spreche. Ich habe zum Glück schon ein bißchen was intus. Sie aber auch, was? Egal. Also, ich mache es kurz. Ich will Ihnen nur schnell jemanden vorstellen. Ich weiß nämlich nicht, ob Sie es schon wissen. Wir haben noch einen Überraschungsgast. Da drüben steht er. Es ist der mit dem rosa Hemd da …«
    Billy zeigte auf Pierre und die Gäste reckten ihre Köpfe.
    »Und jetzt verrate ich Ihnen ein Geheimnis. Dieser Typ, ob Sie es glauben oder nicht, das ist der neue Mann an der Seite von Annabelle, der Tochter unseres Geburtstageskindes, Sie wissen schon. Er heißt Pierre, kommt aus Frankreich und ist Chefarzt, oho! Und jetzt kommt die gute Nachricht. Die beiden sind ganz frisch verliebt. Ist das nicht toll? Haben sich in Paris kennengelernt, die beiden, und sich einfach so ineinander verliebt. Und da kann man doch nur gratulieren, was meinen Sie? Na, dann bitte ich jetzt aber mal um einen kräftigen Applaus, ja? Also los. Alle zusammen. Ein Applaus für das frischverliebte Liebespaar …«
    Billy nahm das Mikro runter, fing an zu klatschen und dieGäste klatschten erst zaghaft, aber dann gezwungenermaßen sogar fast euphorisch mit.
    »So, und jetzt verrate ich Ihnen noch ein Geheimnis«, machte Billy weiter, als der Applaus abflaute. »Und jetzt spitzen Sie mal alle die Ohren. Dieser Typ, ja, dieser Pierre, das ist nämlich mein Nachfolger. Seit knapp einer Stunde, um genau zu sein. Und jetzt kommt’s. Bis dahin war ich noch Annabelles Freund. Ich, verstehen Sie? Nicht dieser französische Lackaffe da. Aber vor einer Stunde hat mich Annabelle leider verlassen, jawohl. Hat einfach Schluß gemacht, einfach so. Weil ich ihr nicht mehr gut genug war, verstehen Sie? Auf einmal. Nach vier Jahren. Wollte was Besseres, können Sie sich das vorstellen? Schöne Scheiße, was? Und jetzt raten Sie mal, wie ich mich dabei fühle? Na, was glauben Sie? Ich sag’s Ihnen. Ganz einfach. So!«
    Mit diesem »So!« ließ Billy das Mikro auf den Boden fallen und schaute einen kurzen Augenblick in die versteinerten Gesichter der Gäste. Dann grinste er, steckte sich den Finger in den Hals und kotzte mit großer Geste einen Schwall Meeresfrüchte von der Bühne.

Rumble in the Jungle.
    Das Geschrei war groß. Einige Damen und Herren in den ersten Reihen hatten zum Teil ganz ordentlich was abbekommen. Die Überraschung war also durchaus gelungen. Dabei hatte sich Billy noch zurückgehalten. Er hatte es bei einem einzigen Schwall belassen und

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