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Das weisse Kaenguruh

Das weisse Kaenguruh

Titel: Das weisse Kaenguruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Praxenthaler
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sie trotzdem. Man wußte ja nie, wohin sich das Leben auf der schiefen Bahn in Zukunft noch so entwickelte.

Karriereknick.
    Der Euro hatte also Talent für das Rennen, das sich Kapitalismus nennt, aber gleichzeitig keine Disziplin. Und so hatte er zwar immer ordentlich Asche auf Tasche, wurde aber trotzdem nie wirklich reich. Der erste weibliche Hintern, den er im Alter von vierzehn Jahren bewußt wahrgenommen hatte, warf ihn diesbezüglich leider aus der Bahn. Das Ursache-Wirkungs-Prinzip, das dem Sexus des Mannes in dieser Welt zugrunde liegt, war dafür tragischerweise zu verführerisch. Money makes the girls turn around, und in seinem Milieu brauchte man davon nicht einmal besonders viel. Wer immer »a Geld im Sack« hatte wie er, war der König im Geschlechterkampf. Und bei den Hasen, auf die er vorzugsweise stand, erst recht. Seine Freundinnen waren demzufolge immer schöner als er selbst, und in den meisten Fällen auch schöner als die Freundinnen seiner Freunde. Den Grund dafür kannte er. Aber es machte ihm nichts aus. Im Gegenteil. Es war die vierte Regel des Kapitalismus: Mit dicken Hosen schläft es sich besser.
    Dazu kam sein zwanghaftes Selbstverständnis, das mit jedem Atemzug nach dem »immer mehr« strebte und infolgedessen niemals Befriedigung fand. Teufelswerk Gier! Sie hatte sehr früh Besitz von ihm ergriffen, und er konnte es tausendmal durchschauen, wehren wollte er sich dagegen nicht. Wer von ziemlich weit hinten startete wie er, dem bleibt ja nur die Überholspur. Im Gegensatz zu Billy sollte sein Sarg also vergoldet sein, das hatte er sich früh geschworen, und bis es soweit war, wollte er die dicken Hosen, die er in der Pubertät angezogen hatte, nicht mehr ausziehen. Sparsamkeit war für ihn ein falscher Weg. Klamottentechnisch immer auf du und du mit dem Designer, die Wohnungen kategorisch Rock ’n’ Roll, die Guapas kompromißlos String und an der Bar selbstverständlich so oft es geht und hoch die Tassen. Das war sein Leben und sein Leben war der Konsum. Biste was, haste was. Aber wenn keiner sieht, daß du was bist, hast du auch nichts.
    Anders als Billy konnte es sich der Euro aber auch leisten. Es war seine ganz persönliche Erfolgsbilanz, die ihn blind bei guter Laune hielt und seinen materialistischen Stolz prägte. Er war mittlerweile 25 Jahre alt, entstammte dem blanken Proletariat und hatte trotzdem bis dato etwas über 200 000 Mark auf die Seite geschafft. Aus eigener Kraft, und obwohl er mit dem Geld nur so um sich warf. Diese 200 Riesen waren zweifelsfrei ein Haufen, und gut investiert hatte er sie zudem. Davon war der Euro jedenfalls überzeugt. Wie so viele in dieser Zeit. Aufgeschreckt vom irrwitzigen Hype um die geheimnisvolle Geldvermehrung, die damals in aller Munde war, hatte auch er fast seine gesamten Ersparnisse im Lauf des Jahres 1999 in alle möglichen Aktien investiert, hatte den ultimativen Orgasmus des DAX bei rund 8000 Punkten selbstzufrieden und vor dem Fernsehen miterlebt und im weiteren leider felsenfest daran geglaubt, daß die beginnende Börsentalfahrt, die mit dem Start des neuen Jahrtausends begann, nur von vorübergehender Natur sei. Nach einer kleinen undverständlichen Verschnaufpause würden sich die deutschen Indizes schon wieder erholen. Er konnte schließlich nicht wissen, daß in den folgenden drei Jahren das immense Vermögen einer vollgefressenen Nachkriegsgeneration sukzessive vernichtet werden sollte. Zu wessen Gunsten auch immer.
    Als der Euro am 15. Mai 2001 am Rasthof Würzburg in Billys Auto stieg, war der DAX bereits auf 6000 Punkte abgestürzt und der Zeitpunkt zum Aussteigen für die meisten unerfahrenen Kleinanleger wie ihn, die geblendet, gierig und ahnungslos den ganzen New-Economy-Scheiß mit ihrem sauer verdienten Geld erst möglich gemacht hatten, schon lange vorbei. Es waren die Medien, die sie gefügig machten. »Wer jetzt aussteigt, hat nichts gewonnen. Jetzt aussteigen wäre eindeutig ein Fehler«, besänftigten die Börsenexperten die Anleger zu jeder erdenklichen Stunde auf n-tv, und sagten damit auf keinen Fall die Wahrheit. Aber wozu das Klagen? Wußten sie es etwa besser? Hätten sie es besser wissen müssen? Sie waren nur Experten, oder? Wir sind doch alle Experten, mittlerweile. Und Irren wird ja noch erlaubt sein. Wo bleibt sonst die Menschlichkeit?
    Der Euro folgte damals also leider dem Rat der allgegenwärtigen Finanz-Gurus, ließ sich von ihrer fatalen Bullen-Laune anstecken und hoffte mit Millionen anderer

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