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Das weisse Kaenguruh

Das weisse Kaenguruh

Titel: Das weisse Kaenguruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Praxenthaler
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Geld. Denn selbstverständlich lehnte er das Angebot seines Mitschülers zunächst ab und aß seine Negerkußsemmel lieber selber. Er hatte schließlich Hunger. Aber ab morgen, das schwor er sich, würde er vorbereitet sein.
    Noch am selben Nachmittag gründete der Euro dann sein erstes Unternehmen. Er war nach der Schule sofort nach Hause gelaufen, wesentlich schneller als sonst, hatte sich noch schnell eine Fertigpizza reingezogen, genauso schnell wie sonst, lief danach in sein Kinderzimmer, schloß die Türe hinter sich ab und wurde zum Kapitalisten. Die Geschäftsidee war brillant. Er nahm sich ein paar Mark aus seinem Sparschwein, ging damit in den Supermarkt und kaufte sich eine Packung Negerküsse und ein Netz mit Semmeln. Und als er mit seinen Einkäufen wieder zu Hause ankam, nahm er sich ein Blatt und einen Stift und stellte eine Kalkulation auf.
    Die Rechnung war ganz einfach. Für 10 Semmeln und 12 Negerküsse hatte er rund 2 Mark 50 bezahlt. Wenn er jetzt sofort zwei Negerküsse essen würde (was er auch tat), konnte er trotzdem noch 10 weitere Negerkußsemmeln herstellen, und jede davon würde ihn 25 Pfennig kosten. Wenn er am nächsten Schultag nun alle zehn Negerkußsemmeln zu 50 Pfennig das Stück verkaufen würde, so rechnete er weiter, dann hätte er am Ende einen Gewinn von 2 Mark 50 gemacht. Er hätte seinen Einsatz also verdoppelt, stellte er mit weit aufgerissenen Augen fest, und zwar von einem Tag auf den anderen, um genau zu sein. Und wenn er das von nun an jeden Schultag machte, träumte er weiter, wären das schon12,50 Mark in der Woche. Und das wiederum würde ja bedeuten, und das mußte man sich mal vorstellen, daß er in einem Monat 50 Mark verdient hätte. Süße, märchenhafte 50 Mark! In einem Monat! Er! Einfach so! Mit Negerkußsemmeln! Wahnsinn.
    Der Euro warf sich auf sein Bett, strampelte mit den Beinen in der Luft herum, jubelte, klatschte in die Hände und war der glücklichste Mensch von der ganzen Welt. Eine sensationelle Woche lang. Oder, um es in Zahlen auszudrücken, 12 Mark 50 lang. Aber dann mußte er leider feststellen, daß seine Kalkulation einen entscheidenden Haken hatte. Sie ging nicht auf. Jedenfalls nicht so, wie er es sich erträumt hatte, und das aus verschiedenen Gründen. Erstens verkaufte er sehr schnell wesentlich weniger Negerkußsemmeln, als er anfangs gedacht hatte. In der ersten Woche lief das Geschäft zwar noch wie Sau und alle Semmeln gingen weg wie nix. Besser hätte es nicht laufen können. Doch dann kam das Wochenende und danach passierte etwas Schreckliches. Das Interesse ließ auf einmal nach. Die erste Begeisterung seiner Mitschüler ließ nach und infolgedessen sanken die Preise. Schon am Montag der folgenden Woche mußte er auf 45 Pfennig runtergehen. Vor allem, weil seine Stammkunden auf Rabatte drängten. Und Stammkunden, das hatte er sehr schnell begriffen, darf man nicht vergraulen, als guter Geschäftsmann.
    Seine Mitschüler fingen also an zu handeln, und sie konnten es sich leisten. Von Mitte der zweiten Woche an erst recht. Angeregt durch den offensichtlichen Erfolg seiner Geschäftsidee bekam der Euro jetzt nämlich auch noch Konkurrenz, und das war der zweite Grund, weshalb seine Umsätze dahinschmolzen. Ein Junge aus der Nachbarklasse klaute ihm ganz einfach sein Konzept, kam von Mittwoch an ebenfalls mit einer Ladung Negerkußsemmeln in die Schule und eröffnete damit auf dem Pausenhof einen harten, erbitterten Preiskampf,dem sich der Euro nicht entziehen konnte. Und damit nicht genug. Immer mehr Anbieter traten nun auf den Plan, und als nach einer Weile zu allem Überfluß auch noch die älteren Schüler ins Geschäft einstiegen, und die jüngeren Schüler unter Androhung körperlicher Gewalt vom Markt drängten, war es mit der schnellen Mark ganz schnell vorbei. Zumal nach den ersten Handgreiflichkeiten sogar die Lehrer mitgeschnitten hatten, was abging, und daher jedweden Handel mit Lebensmitteln oder anderen Waren auf dem Schulgelände mit sofortiger Wirkung unterbanden. Denn ausgelöst durch die Initiative vom Euro schleppte plötzlich wirklich jeder Depp irgendwelchen Scheiß mit in die Schule, um ihn in der großen Pause, zwischen den Stunden oder selbst während des Unterrichts meistbietend an irgendeinen anderen Idioten zu verscherbeln. Und so etwas ging natürlich nicht. Man war schließlich eine bayerische Realschule und kein orientalischer Bazar.
    So mußte der Euro hilflos mit ansehen, wie sein erstes Unternehmen, und

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