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Das weisse Kaenguruh

Das weisse Kaenguruh

Titel: Das weisse Kaenguruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Praxenthaler
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natürlich auch Teilen bedeutete, und somit seine erwarteten Gewinne erheblich schmälerte. »Egal«, dachte er sich, »solange es bei einem Partner bleibt, reicht es auch für zwei.« Vor allem dann, wenn man das ganze Unternehmen groß genug anlegte, seinen Aktionsradius von Giesing auf andere Stadtteile ausdehnte, konzentriert blieb und schließlich auchmal am Wochenende arbeitete. Obwohl das natürlich gegen die ehernen Prinzipien der Arbeiterbewegung verstieß, die er von seinem Vater von früh auf eingetrichtert bekommen hatte. Aber wer vergißt nicht schon mal seine gute Erziehung, wenn der Profit nur groß genug ist?

Dolce Vita.
    Das Pfandgeschäft blieb einige Jahre lang seine Haupteinnahmequelle, und er nahm die Sache äußerst ernst. Mit Toni, seinem Partner, arbeitete er gut und blind zusammen und verdiente sich für sein Alter schwindelig. So machte Arbeit Spaß.
    Irgendwann jedoch schlich sich eine gewisse Langeweile ein. Selbst eine anspruchsvolle Beschäftigung wie das Pfandgeschäft ist vor der Realität einer aufzehrenden Monotonie bezüglich der Arbeitsabläufe nicht sicher. So war es nur eine logische Konsequenz, daß der Euro neben der Schule unentwegt nach neuen Wegen suchte, wie die Kasse noch voller werden konnte. Er wollte schließlich nicht nur ein Geschäftsmann sein, sondern ein guter dazu. Was dazu führte, daß er dank seines lodernden Pioniergeistes und seiner feinen Nase bereits im Alter von 18 Jahren über jede Menge Erfahrung verfügte, wenn es um die Frage ging, wie sie so laufen, die Geschäfte. Und seine Vita konnte sich wirklich sehen lassen, wie ein kleiner Auszug von Aktivitäten belegt, von denen er Billy besonders stolz erzählte.
    Als 12jähriger: Verkauf von Bierdosen. Abnehmer: die Fans von 1860 München auf dem Weg zum Grünwalder Stadion.
Löwenbräu
Hell. Preise günstig, aber nicht billig. Absatz immer enorm.
    Als 13jähriger: Einführung in die Kunst des Rauchens für Schulkinder. Tatort Schulhof. Fixpreis 1 Mark. Zigarette inklusive. Feuer frei.
    Ebenfalls als 13jähriger: Handel mit Nacktfotos. Handelsplatz Klassenzimmer. Quelle: die Pornoheftsammlungen seiner großen Brüder. Nach drei Monaten trotz großer Nachfrage eingestellt. Die Lehrer hatten sich beschwert.
    Als 14jähriger: Einstieg in den Devisenhandel. Englische 2-Pence -Münzen, die sein Partner Toni in großer Zahl von einer Ferienreise mitgebracht hatte, konnten aufgrund exakter Übereinstimmung mit deutschen 1-Mark -Stücken problemlos an Wechselautomaten umgetauscht werden.
    Als 15jähriger: Verkauf von Weihnachtsbäumen. Sein älterer Bruder Peter als Partner. Direktverkauf von der Ladefläche eines Pritschenwagens. Alle Bäume bester Herkunft. Sie wurden in den Wäldern um München herum handgesägt.
    Als 16jähriger: Realschulabschluß und erneute Gründung eines Joint-Ventures mit seinem Bruder Peter. Wendezeit. Geschäftsfeld diesmal: Verkauf von Dosennahrung an die neuen Bundesbürger. Pichelsteiner palettenweise.
    Als 17jähriger: Nochmaliger Realschulabschluß. Im Osten sinkende Umsätze. Im Westen viel Neues. Beginn einer Ausbildung zum Hotelkaufmann. Kleine Geschäfte hier, etwas größere da. Neues Steckenpferd – Aufbau eines privaten Fußball-Wettbüros an der Berufsschule.
    Als 18jähriger: Endlich eigener Führerschein. Völlig neue Horizonte.
    Der Euro war ein Fuchs und es zahlte sich aus. Spätestens mit Erreichen der Volljährigkeit war er vom einfachen Geschäftsmann zum echten Kapitalisten geworden und fühlte sich in dieser Rolle ausgesprochen wohl. Denn im Gegensatz zu vielen Gleichaltrigen, die von einem fetten Bündel Geldscheinen in der Hosentasche nur träumten, hatte der Euro ihn tatsächlich immer dabei. Und er wußte warum. Er hatte schlicht die drei Grundregeln des Kapitalismus begriffen, die man leben muß, wenn man es wirklich zu etwas bringen will. Erstens: Richtig reich wird man nur durch krumme Geschäfte.Zweitens: Krumm ist ein Geschäft nur dann, wenn man sich dabei erwischen läßt. Und drittens: Wer sich erwischen läßt, ist ein Trottel.
    Er war also ein Gauner, und kein schlechter dazu. Ein Gangster war er dagegen nie. Waffen kamen ihm nicht ins Haus & Kapitalverbrechen lehnte er ab. Aus Prinzip. Er kam schließlich aus gutem Stall. Er war ein genetischer Sozialdemokrat. Und auch sonst bemühte er sich, wenigstens nach außen hin den Schein einer aufrechten Koexistenz zu wahren. Die Ausbildung zum Hotelkaufmann machte ihm zwar keinen Spaß, aber er beendete

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