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Das Weisse Kleid Des Todes

Das Weisse Kleid Des Todes

Titel: Das Weisse Kleid Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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tun. »Bleiben Sie am Ball. Zwei Samstage vor Weihnachten lässt sich niemand durch ’nen Schneesturm vom Einkaufen abhalten. Ich will sicherstellen, dass wir genug Männer auf der Straße haben, wenn die Leute erst mal ineinander schliddern.«
    »Genau darum mache ich meine Weihnachtseinkäufe ja dieses Jahr per Telefon.«
    Russ trank noch einen Schluck, bevor er die Taste des Mikrofons drückte. »Schon gewusst, dass Linda ’nen Katalog rausbringen möchte?« Von etwas anderem hatte sie gar nicht reden können, als er sie mittags am Bahnhof abholte.
    »Ach? Na, dann viel Glück! Soll sie genug von diesen tollen Vorhängen verkaufen; dann können Sie sich von ihr aushalten lassen und sind ein gemachter Mann.«
    »Genau das hab ich vor.« Er stellte den Kakaobecher in einen Getränkehalter. Von den angeblichen Herstellungskosten für diesen verdammten Katalog hätte er Stielaugen bekommen, hätte er nicht seine Brille getragen, aber Linda war überzeugt, dass sich durch die gesteigerten Umsätze die Sache lohnen würde. Linda verstand eine ganze Ecke mehr vom Geldverwalten und -vermehren, als er’s je tun würde. Ob eine Umsatzsteigerung auch ihr Zusammenleben lohnender machen würde, hatte er nicht gefragt.
    »Zentrale, ich fahre jetzt runter von der Main und Canal, Richtung Route Forty-seven. Ist noch was?«
    »Vor einer halben Stunde hat Reverend Fergusson angerufen. Sie wäre bis zirka halb sechs in ihrem Büro in der Kirche. Soll ich Sie verbinden?«
    Er tippte sich mit dem Mikrofon ans Kinn. »Nein«, antwortete er, »ich fahr selber mal vorbei. Geben Sie mir Bescheid, wenn Sie Noble weiterhin nicht erwischen. Vielleicht müssen wir einen von unsern Teilzeittypen rufen. Wird da draußen ziemlich rundgehen in ein paar Stunden.«
    In der Kirche war es dunkel, als Russ auf den winzigen Parkplatz dahinter einbog, aber in dem Anbau mit dem Pfarrbüro und den anderen Diensträumen konnte er Lichter sehen. Die Küchentür war fest verschlossen. Russ folgte dem Weg, der um das Pfarrzentrum geschaufelt war, bis zu der großen Doppeltür. Natürlich offen. Er schüttelte den Kopf. Typisch Clare. Fiel ihr wohl nicht ein, hinter sich abzuschließen.
    »Clare? Hey, Clare, ich bin’s. Russ.« Er wischte Schnee von seinem Parka. Die Kaffeemaschine, die auf dem Tisch thronte, war eingeschaltet, ebenso die Korridorbeleuchtung. Im Kamin von Clares Arbeitszimmer schwelten die Überreste eines Feuers. Ihr Terminkalender, eine Hand voll rosa Notizzettel mit Telefonnachrichten und eine halb ausgetrunkene Tasse kalter Kaffee befanden sich auf dem Schreibtisch.
    »Clare? Sind Sie da?« Ob sie rüber ins Pfarrhaus gelaufen war? Er folgte dem Weg zurück, überquerte den Parkplatz und reckte sich, um über die hohe Buchsbaumhecke zu schauen, die Clares Einfahrt vom Kirchengelände trennte. Kein Licht im Pfarrhaus. Keine Reifenspuren und auch keine Schuhabdrücke in dem frischen Schnee auf der Treppe.
    Stirnrunzelnd kehrte Russ ins Pfarrzentrum zurück. Weshalb, zum Teufel, hatte Clare alles stehen und liegen lassen und nicht mal das Kaminfeuer oder die Kaffeemaschine ausgemacht? Er warf einen Blick in ihren Terminkalender. Nichts für Samstag eingetragen, außer morgens ein Besuch im Altenpflegeheim. Er sah die rosa Zettel durch. Nichts. Er ging durch den Flur in die kalte, dunkle Kirche. Eine einzelne Votivkerze in einem roten Glasbehälter, links neben dem Altar, tauchte einen mit Schnitzereien verzierten Verschlag in einen rötlichen Schimmer. »Clare?« Russ’ Stimme hallte von den Mauern wider.
    Er schlug sich mit seinen Handschuhen auf den Schenkel und versuchte, das Unbehagen zu überspielen, das ihn beschlich. Wahrscheinlich hatte man sie zu einem dieser mysteriösen »Notfälle« gerufen. Nichts Weltbewegendes. Nichts, was ihn zwang, der Sache nachzugehen. Natürlich, wenn er den Anrufbeantworter abhören würde, dann ließe sich ihr Verschwinden vielleicht erklären, ohne dass er wie ein Blöder herumtelefonierte. Ärgerlich, weil Clare so verdammt schwer zu erwischen war, noch ärgerlicher, dass er sich überhaupt Sorgen machte, lief er wieder durch den Gang.
    Das Pfarrbüro war genauso dunkel wie die Kirche. Er knipste das Licht an, ließ sich in den Sessel der Sekretärin fallen und drückte den blinkenden roten Knopf auf dem Anrufbeantworter. »Piep.« Gehorsam begann der Apparat seine Nachrichten abzuspielen. Gleich daneben lagen ein Spiralheft, gelbe Durchschläge und unbenutzte rosa Zettel aus einem Block. Er

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