Das Weisse Kleid Des Todes
uns Besseres zu erwarten als bei einem Mädchen, das sein Baby auf der Hintertreppe einer Kirche in der Kälte liegen lässt?«
Clare nickte. »Nur mal logisch betrachtet. Ja.« Sie trank einen Schluck von ihrem Kaffee. »Warum, glauben Sie, ist Cody bisher nicht zu Ihnen in Pflege gekommen?«
»Weil wir einmal Stunk gemacht haben«, antwortete Geoff. »Als sie dieses kleine Mädchen an die Mutter zurückgaben, die es misshandelt hat. Da sind wir vor die Presse und haben das Jugendamt verklagt …«
»Es war ein Albtraum«, sagte Karen.
»Wenn man vor denen zu Kreuze kriecht, dann werfen sie einem vielleicht ab und an einen Brocken zu, aber wenn man ihrer rigiden Bürokratie die Stirn bietet und publik macht, was für Fehler die sich leisten, dann kommt man auf die schwarze Liste.«
»Wir kennen ein Paar, die Baldaccis, die hatten ein Heim für minderjährige Mütter, eine wundervolle Institution. Sie halfen diesen Mädchen bei der Suche nach Adoptiveltern für ihre Kinder oder bei Behördengängen, wenn sie das Kind behalten wollten. Vor ein paar Jahren hatten sie ein Mädchen, das war ein ziemlicher Problemfall. Sie behielt ihr Baby, und als sie später noch mehr Probleme bekam, nahm ihr das Jugendamt das Kind weg. Erst nach einer so genannten Elternschulung wurden Mutter und Kind wieder zusammengeführt. Die Baldaccis schrieben der Sachbearbeiterin, telefonierten mit ihr, schickten Briefe an alle, die sie im Jugendamt kannten, um sie zu warnen, dass das Mädchen labil und das Baby in Gefahr sei. Sechs Wochen nach dieser angeblich gelungenen Zusammenführung hat sie das Kind umgebracht.«
»O mein Gott. Das ist ja grauenhaft.«
»Ja, aber es kommt noch dicker. Die Baldaccis waren über diese vollkommen unnötige Tragödie so empört, dass sie damit an die Öffentlichkeit gingen. Obwohl sie de facto das einzige Heim für schwangere Minderjährige in Washington County waren, entzog ihnen das Jugendamt die Lizenz und ließ das Haus schließen.«
»Das ist ja ein Skandal«, bekräftigte Clare.
»Sie sehen, weshalb wir nicht scharf darauf sind, dass die Mutter dem Jugendamt in die Hände fällt«, sagte Geoff.
»Wir haben unseren Antrag, Cody in Pflege zu nehmen, schon eingereicht«, fuhr Karen fort, »aber nach einiger Überlegung sind wir der Ansicht, es könnte hilfreich sein, wenn Gemeindemitglieder uns mit Briefen an die Behörden unterstützen.«
»Besonders, wenn sie dort einen Bekannten haben, einen Senator, einen Mitarbeiter des Gouverneurs oder eine leitende Persönlichkeit im Jugend-und Sozialwesen.« Geoff stützte seine Ellbogen auf die Knie und ließ die Fingergelenke knacken. »Wissen Sie, Reverend, als wir anfingen, uns um ein Baby zu bemühen, da schwor ich mir, wir würden es allein schaffen, ohne fremde Hilfe. Aber jetzt?« Er machte ein düsteres Gesicht. »Pfeif drauf! Soll doch Gott und die Welt mitmischen. Vielleicht kennt ja jemand den Bekannten eines Bekannten, der Senator Dingsda kennt. Mir ist alles recht, Hauptsache, das Kind kommt so schnell wie möglich zu uns.«
»In Ordnung«, sagte Clare. »Morgen nach der Predigt werde ich die Gemeinde um Hilfe bitten. Aber wir brauchen eine Adressenliste, etwas, wohin die Leute schreiben können.« Sie griff nach einem der Croissants, die Karen auf die flach gestrichene Tüte gelegt hatte. »Die ließe sich gerade noch in den Dezember-Pfarrbrief quetschen, falls Sie es schaffen, Lois bis Montag die nötigen Angaben zu liefern.« Sie biss ein dickes Stück Croissant ab und bedeckte ihren Schoß mit Krümeln. »Wunderbar«, sagte Karen, und einen Moment lang wusste Clare nicht, ob sie das Gebäck meinte oder ihren Plan. »Ich habe ein gutes Gefühl bei der Sache. Mit der Rückendeckung der Gemeinde wird es diesmal bestimmt anders laufen.«
Clare verschlang den Rest ihres Croissants und wischte sich die Krümel vom Schoß. »So weit, so gut. Aber jetzt zu der Seite, die Chief Van Alstyne angesprochen hat. Haben Sie sich schon Gedanken gemacht, was passiert, wenn Codys Mutter auftaucht? Soviel ich weiß, werden Mütter, die auf diese Art ihr Kind aussetzen, fast immer entdeckt oder stellen sich freiwillig.«
»Darum brauchen wir das Sorgerecht ja sofort«, sagte Geoff. »Wir müssen argumentieren können, das Baby habe eine feste seelische Beziehung zu uns entwickelt, die Mutter sei für diese Aufgabe ungeeignet und dass es im besten Interesse des Kindes liege, wenn es bei uns bleibt.«
»Das ist aber ein bisschen hart, nicht?«
»Reverend,
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