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Das weiße Krokodil

Das weiße Krokodil

Titel: Das weiße Krokodil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. C. Bergius
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er, müßte es mir eigentlich gelingen, das Krokodil mit der Zeit so an mich zu gewöhnen, daß ich mich ihm eines Tages bis auf wenige Meter nähern kann, ohne daß es die Flucht ergreift.
    Tie-tie war sich darüber klar, daß er behutsam vorgehen mußte, er war aber auch fest entschlossen, noch in dieser Minute die ersten Schritte auf dem Weg zu tun, den er zu erkennen glaubte. Noch bevor sich die Henne beruhigt hatte, nahm er eine bedächtige Wanderung parallel zur Pagode auf, wobei er das Krokodil, das den Kopf augenblicklich hob und jede seiner Bewegungen wie gebannt verfolgte, nicht aus den Augen ließ.
    Etwa zehn Meter ging er in eine Richtung, dann wandte er sich vorsichtig um und kehrte an seinen Ausgangspunkt zurück, wo er eine Weile stehenblieb, bevor er sich erneut in Bewegung setzte.
    Das Krokodil veränderte seine Lage nicht. Lediglich sein Kopf bewegte sich jeweils zu der Seite, die Tie-tie einschlug.
    Ein heimlicher Beobachter würde über das sonderbare Gehabe der beiden vielleicht gelacht haben, dem greisen Tie-tie hingegen klopfte das Herz vor Aufregung in der Kehle. Er spürte, daß er den richtigen Weg eingeschlagen hatte, und bangte davor, daß eine seiner Bewegungen das Krokodil vertreiben könnte.
    Das hinderte ihn jedoch nicht, das Tempo seiner anfänglich überaus langsamen Wanderungen mit der Zeit etwas zu steigern, und als er erkannte, daß das Krokodil hierauf nicht anders als zuvor reagierte, wagte er es schließlich sogar, die Steintreppe zu betreten und einige Stufen hinabzusteigen.
    Der Richtungswechsel erregte das Krokodil so sehr, daß es sein zähnestarrendes Maul öffnete und einen dumpfen Laut von sich gab, der Tie-tie schleunigst zurückeilen ließ.
    »Ich tue dir doch nichts!« rief er beschwichtigend, als er wieder auf der obersten Stufe stand. »Ganz bestimmt nicht. Du kannst dich auf mich verlassen!«
    Seine Stimme schien dem Krokodil zu behagen; denn es klappte seine Schnauze geräuschvoll zu und legte den Kopf wie lauschend zur Seite.
    Das ermutigte Tie-tie, weitere Worte an das Krokodil zu richten, und während er dies mit der nachdrücklichen Versicherung tat, nur Freundschaft zu suchen und nichts Böses im Schilde zu führen, stieg er erneut einige Stufen zum See hinab.
    Der Erfolg war größer, als er es zu hoffen gewagt hatte. Das Krokodil verhielt sich nunmehr völlig ruhig und veränderte seine Haltung auch nicht, als er sich umwandte und nach oben zurückkehrte.
    Es scheint sich gerne unterhalten zu lassen, dachte Tie-tie frohgestimmt und unternahm sogleich einen zweiten Versuch, den er auf der sechsten Stufe beendete, weil er befürchtete, das auf der Lauer liegende Tier sonst zu überfordern. Und es war sicherlich gut, daß er die erste ›Unterrichtsstunde‹ nicht weiter ausdehnte; das Krokodil ließ seine Schnauze wie ermattet auf den Boden sinken und blickte zu ihm hinüber wie ein Hund, der nicht weiß, ob er Lob oder Tadel zu erwarten hat.
    »Für heute machen wir Schluß!« rief Tie-tie ihm zu.
    Das Krokodil schnaufte und hob den Kopf.
    »Schluß, habe ich gesagt. Du kannst jetzt ruhig schlafen. Ich bleibe hier sitzen und rühre mich nicht vom Fleck.«
    Das Krokodil richtete sich schwerfällig auf und ließ sich ins Wasser gleiten, als wollte es sagen: Wann ich schlafe, das bestimme ich!
    Der greise Tie-tie blickte verklärt hinter ihm her und dachte versonnen: Auf deinem weißen Rücken möchte ich in das Nirwana gelangen.

IV
     
     
     
    Tie-tie gehörte zu den glücklichen Menschen, die nicht noch in der Ruhe des Alters nach Ruhe suchen. Er nahm das Leben, wie es sich ihm bot, und so empörte er sich auch nicht über die Affen, die ihn bei seinen Wanderungen um die Pagode immer wieder attackierten. Ihr zuweilen heftiges Bombardement empfand er freilich als eine böse Plage, doch diese nahm er gern auf sich, weil er der festen Überzeugung war, daß der Himmel ihn prüfen und feststellen wolle, ob er eine ihm auferlegte Bürde mit jener Würde ertrage, die den Menschen vom Tier unterscheidet.
    Aber es dauerte doch länger, als er angenommen hatte, bis er den Makaken so vertraut geworden war, daß sie bei seinem Erscheinen nicht mehr kreischend aufsprangen, sondern gelassen zu ihm hinabschauten. Erst nach vielen Wochen hatten sie sich an ihn und an seine klappernde Gebetsmühle gewöhnt, und einige der Tiere wurden sogar so zutraulich, daß sie sich ihm näherten und von ihm streicheln ließen. Er tat dies jedoch nur einige Male, da ihre Zutraulichkeit

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