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Das weiße Krokodil

Das weiße Krokodil

Titel: Das weiße Krokodil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. C. Bergius
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schnell in Aufdringlichkeit ausartete. Sie folgten ihm auf Schritt und Tritt und versuchten unablässig, ihm die Gebetsmühle aus der Hand zu reißen, so daß er sich wohl oder übel gezwungen sah, sie durch heftige Gesten und energisches Auftreten zu verscheuchen. Auch durfte er es wegen der beiden Hennen nicht dulden, daß die Affen bis zum Portal der Pagode vordrangen. Unabhängig davon befürchtete er, daß die erfreulichen Fortschritte, die er in der Folge mit dem beinahe täglich erscheinenden Krokodil machte, einen Rückschlag erleiden könnten, wenn sich die Makaken in seiner Nähe aufhielten. Es fiel ihm nicht leicht, die sich nun nicht mehr wild, sondern possierlich gebärdenden Tiere zu vertreiben, aber es blieb ihm nichts anderes übrig, wenn er nicht ihr Sklave werden wollte. Und sie begriffen bald, daß ihre Aufdringlichkeit ihnen nichts einbrachte. Sie zogen sich auf ihre Bäume zurück, um die Tage wie in früheren Zeiten zu verschlafen.
    Anders hingegen lagen die Dinge beim weißen Krokodil, das sich ebenfalls schon so an die veränderten Verhältnisse gewöhnt hatte, daß es das Wasser selbst in Augenblicken verließ, da Tie-tie sich auf halber Höhe der zum See hinabführenden Steintreppe befand. Es starrte dann zwar eine Weile wie gebannt zu ihm empor, kroch schließlich aber ohne Scheu an das Ufer, wo es sich schwerfällig zurechtlegte und zu guter Letzt seine riesige Schnauze sperrangelweit öffnete, um in der Sonne zu schlafen und sich von den Strapazen der Nachtjagd zu erholen. Führte Tie-tie jedoch während dieser Zeit die geringste Bewegung aus, so hob das Krokodil blitzschnell den Kopf; es war, als könne es im Schlaf sehen oder als springe ein elektrischer Funke zu ihm hinüber.
    Tie-tie trug dem Rechnung und saß oft stundenlang auf der Treppe, ohne sich zu rühren. Das weiße Krokodil sollte wissen, daß es sich vor ihm nicht zu fürchten brauchte, und er selbst benutzte die Wartezeiten, um Beobachtungen zu machen, die ihn mit Freude erfüllten und oftmals an das chinesische Sprichwort denken ließen: ›Hält man sich in der Nähe des Wassers auf, dann lernt man die Gewohnheiten der Fische kennen; lebt man am Fuße der Berge, dann weiß man den Ruf der Vögel zu deuten.‹
    Die Bewohner des Dschungels wurden ihm von Tag zu Tag vertrauter, wenngleich ihm ihr Leben manche Schauer über den Rücken jagte. Ihr Dasein war ein erbitterter Kampf, der Nacht für Nacht neu ausgefochten werden mußte. Das mochte auch die Ursache dafür sein, daß er nie einen Singvogel zu hören bekam. Es gab keinerlei Gesang; wenn Stimmen laut wurden, waren sie von Angst und Kampfgeschrei erfüllt. Über Tag kam das höchst selten vor, und je länger Tie-tie in der Einsamkeit lebte, um so verständlicher wurde ihm das schreckhafte Wesen des weißen Krokodils. Unerklärlich blieb ihm nur sein eigenartiges Reagieren, wenn er zu ihm sprach. Es wurde dann merklich furchtloser, und Tie-tie nutzte diesen Umstand weidlich aus, wenn das Krokodil aus seinem Schlaf erwachte. Er redete dann und erzählte, was ihm gerade einfiel. Dabei bewegte er sich behutsam hin und her, um schließlich eine weitere Stufe tiefer zu steigen, so daß sich der zwischen ihnen liegende Abstand mit der Zeit immer mehr verringerte. Wurde das Krokodil in solchen Augenblicken unruhig, gab er die gewonnene Stufe sofort wieder frei und versuchte sein Glück am nächsten Tage.
    Seine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, doch nach fast drei Monaten hatte sich das weiße Krokodil so an ihn gewöhnt, daß es keine Scheu mehr zeigte. Er durfte sich ihm nun ohne weiteres bis auf wenige Meter nähern, mußte allerdings darauf achten, daß er sich nicht direkt auf das Tier zubewegte. Dabei verließ er selbstverständlich niemals die Steintreppe, deren von geflügelten Löwen flankiertes Geländer eine ideale Barriere bildete.
    Aber so erstaunlich die erzielte Annäherung auch war, das natürliche Spannungsfeld zwischen Mensch und Raubtier ließ sich nicht abbauen. Beide lagen ununterbrochen auf der Lauer, was den Nerven nicht gerade dienlich war und gelegentlich zu hektischen Reaktionen führte. So konnte eine unbedachte Handbewegung die Veranlassung dafür sein, daß sich das Krokodil jäh ins Wasser stürzte, wie es auch vorkam, daß ein plötzliches Öffnen der unheimlichen Raubtierschnauze dem greisen Tie-tie einen solchen Schrecken einjagte, daß er augenblicklich die Flucht ergriff, was wiederum zur Folge hatte, daß das weiße Krokodil nicht

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