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Das weiße Krokodil

Das weiße Krokodil

Titel: Das weiße Krokodil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. C. Bergius
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in einem Tonfall, der Enttäuschung und Verärgerung erkennen ließ.
    Auch dem Malaien schien Tie-ties Weigerung zu mißfallen, denn er nagte eine ganze Weile an seinen Lippen, bis er sich mit einem Male vor die Stirne schlug und lachend erklärte: »I know what we do! Wir fotografieren zunächst das Krokodil und dann den komischen Alten, und später kopieren wir die Aufnahmen so übereinander, daß es aussieht, als lägen keine drei Meter zwischen ihnen.«
    »Dann haben wir ja, was wir brauchen«, begeisterte sich Yen-sun.
    »Nicht alles!« widersprach der Malaie. »Aber du hast recht: das andere ergibt sich von selbst und ist eine Frage der Organisation.«
    »Die bei dir in guten Händen liegt.«
    »Worauf du dich verlassen kannst.«
    »Und was sagst du zu der Pagode?«
    »Sie ist genau das, was wir brauchen.«
    Tie-tie wurde unruhig, da er spürte, daß ihm etwas verheimlicht wurde. Er kam sich vor wie ein Soldat auf verlorenem Posten. Um seine Nervosität zu verbergen, sagte er resolut: »Jetzt hört mir mal zu: ihr redet und redet, und ich verstehe kein Wort. Um was geht es eigentlich?«
    Yen-sun spielte den Erstaunten. »Das habe ich dir doch erzählt. Mein Freund möchte Aufnahmen machen, und er war ziemlich enttäuscht, als er hörte, daß er dich nicht mit dem weißen Krokodil fotografieren kann. Für mich war das peinlich, weil ich… Du verstehst schon. Ich hatte den Mund zu voll genommen. Er hat aber gerade erklärt, daß er es mir nicht verübelt, allerdings hofft, zum Ausgleich dafür einige Bilder von dir und den Hühnern machen zu dürfen – beim Spaziergang an der Leine und so. Dagegen hast du doch nichts einzuwenden, oder…?«
    Tie-tie schüttelte den Kopf. Was sollte er darauf erwidern?
    Yen-sun rieb sich die Hände. »Na, dann laden wir dich erst mal zum Frühstück ein. Du brauchst nur für heißes Wasser zu sorgen. Tee und Reisbuletten haben wir mitgebracht.«
    Der greise Tie-tie schlurfte davon, als hätte sich eine Zentnerlast auf seine Schultern gesenkt. Er fühlte, daß er belogen wurde, und war froh, wenigstens einige Minuten nichts hören zu müssen. Dabei brannte er darauf, etwas über Sim und deren Kinder zu erfahren. Er wagte jedoch nicht, sich nach ihnen zu erkundigen, weil er befürchtete, dann ebenfalls mit einer Lüge abgespeist zu werden.
    Was er empfand, war Verachtung, bis ihm beim Entfachen des Feuers ein Spruch Lao-tses einfiel, der gelehrt hatte: ›Dem ehrlichen Menschen glaubt man, dem Lügner nicht minder; den guten Menschen hält man für gut, den schlechten aber auch. Der Aufrichtige verachtet niemanden; es gibt darum keine zu verachtenden Menschen.‹
    Tie-tie nahm sich vor, diese Worte zu beherzigen, aber es fiel ihm nicht leicht, sich mit Yen-sun zu unterhalten, als sei nichts geschehen. Er bemühte sich, den in ihm aufgekeimten Argwohn zu unterdrücken, und er entsprach allen Wünschen, die an ihn gerichtet wurden. So ließ er sich mit ›Tang‹ und ›Ting‹ vor der Pagode, auf der Steintreppe und am Ufer fotografieren, umwanderte den Tempel mit der Gebetsmühle in der Hand und weckte sogar einige Makaken, als Yen-sun ihm bedeutete, daß es für seine Kinder keine größere Freude geben könne, als ein Bild zu erhalten, das ihn mit den Affen zeige.
    Der Gedanke, den Kindern ein Geschenk machen zu können, stimmte Tie-tie so froh, daß er alle Bedenken beiseite schob und willig tat, was man von ihm wünschte. Er war mit einem Male sogar der festen Überzeugung, daß sein Mißtrauen ungerechtfertigt sei. Warum sollte Yen-sun ihn belügen? Und hatte er, Tie-tie, sich nicht schon einmal getäuscht, als er annahm, daß Yen-sun aus eigennützigen Motiven ein Zimmer für die neu eingestellte Hausgehilfin herrichten lasse! Er tat wirklich unrecht, wenn er den jungen Chinesen verdächtigte, nur weil ihn der unverhoffte Goldregen der Nachkriegszeit geblendet und verändert hatte.
    Angesichts der Tatsache, daß Yen-sun seinen Kindern eine Überraschung bereiten wollte, weitete sich Tie-ties einfältiges Herz und verflüchtigte sich sein Mißtrauen wie Eis in der Sonne. Ihm war nun alles recht. Er erhob nicht einmal Einspruch, als der rundliche Malaie, dessen fleischige Finger an Würstchen erinnerten, im Inneren des Tempels Blitzlichtaufnahmen machen wollte. Unerklärlich blieb ihm allerdings, weshalb Yen-suns Bekannter jede Kleinigkeit zu fotografieren wünschte. Aber er fragte nicht danach und war froh, als der Rummel endlich beendet war und seine Gäste sich vor der

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