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Das weiße Krokodil

Das weiße Krokodil

Titel: Das weiße Krokodil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. C. Bergius
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die geringste Arbeit zu erledigen habe, weil ihre Organe so absonderlich gestaltet seien, daß sie in keine Gruppe eingeordnet werden könne, und daß sie glücklich sein würde, wenn sie ihrem Leben einen höheren Sinn geben könnte. ›Ich befürchte nun‹, fügte sie betrübt hinzu, ›dadurch ein großes Unheil anzurichten. Denn wenn ich dich regelmäßig füttere, wirst du wieder stark werden und Lust verspüren, einen friedliebenden Staat zu überfallen.‹
    Die Amazonenameise beruhigte Xenia, indem sie ihr einige sanfte Fühlerschläge erteilte. ›Die Sorge brauchst du nicht zu haben. Wenn ich in der Lage wäre, allein einen Überfall durchzuführen, dann hätte ich es zumindest in dem Augenblick getan, da meine letzte Sklavin starb und ich wußte, daß damit auch mein Ende heranrückte. Sollte dir diese Beweisführung aber nicht genügen, dann verspreche ich dir gerne, daß ich mich niemals wieder kriegerisch betätigen werde.‹
    ›Kann ich mich darauf verlassen?‹
    ›Ich gebe dir mein Wort!‹
    ›Nun gut, dann werde ich dich künftighin füttern und ab sofort Barbatus nennen.‹
    ›Barbatus?‹
    ›Ja. Weil du so behaart bist.‹
    Der Amazonenkämpfer akzeptierte den Namen, obwohl er in Wirklichkeit ›Polyergus‹ hieß und der Auffassung war, nicht sonderlich behaart zu sein. Aber was tut ein alter Haudegen nicht alles, wenn es gilt, die Gunst eines hübschen Geschöpfes zu erringen. Die Freundschaft war auf jeden Fall besiegelt, und Xenia machte sich auf den Weg, um für den notwendigen Nahrungsnachschub zu sorgen.
    Eines aber hatte sie nicht bedacht. Durch die vielen Fütterungen, die sie im Laufe des Tages vornahm, ging etwas von dem Geruch auf sie über, der Barbatus zu eigen war, und als sie am Abend, nachdem sie ihren vorerst noch bewegungsunfähigen neuen Freund für die Nacht versorgt hatte, zum Bau ihres Volkes zurückkehrte, verstellten ihr augenblicklich zwei Wächter den Weg. Sie unterschieden sich von den übrigen Ameisen durch besonders große Köpfe und Kiefer, und es begann ein peinliches Schnüffeln und Befragen, dem sich Xenia nur dadurch zu entziehen vermochte, daß sie behauptete, von einer roten Waldameise überfallen zu sein, die sie erst nach längerem Kampf hätte niederringen können.
    Man glaubte ihr und ließ sie passieren; sie aber war um eine Erfahrung reicher und kehrte am darauffolgenden Abend nicht in ihren Bau zurück, ohne zuvor ihren Hinterleib gehoben und sich kräftig mit ihrem eigenen Duft besprüht zu haben.
    Gut eine Woche dauerte es, bis Barbatus sich so weit erholt hatte, daß er wieder krabbeln konnte, und Xenia unterließ es an keinem Tag, ihn morgens, mittags und abends mit dem Sekret ihrer Drüse zu bespritzen. Sie hatte ein mitfühlendes Herz und wünschte, daß ihr staatenloser und ganz auf sie angewiesener Schützling die Nächte künftighin nicht mehr im Freien, sondern im Bau ihres Volkes verbringen solle. Das aber setzte voraus, daß sein Geruch dem ihrer Art entsprach. Bedenken, daß er sich nochmals kriegerisch betätigen könne, hatte sie nicht. Sie besaß sein Versprechen und vertraute ihm.
    Und das durfte sie auch. Barbatus war froh, gerettet zu sein, und hoffte heißen Herzens, sich irgendwann einmal erkenntlich zeigen zu können.
    Das Schicksal wollte es anders. Als er am Abend des achten Tages hinter Xenia herkrabbelnd durch den Eingang ihres Baues schlüpfte, nahmen ihn jäh zwei Soldaten zwischen ihre schräggestellten Kopfschilde und schleuderten ihn in hohem Bogen zur Seite. Doch das war nur der Anfang: Noch während die Torwächter in Aktion traten, ertönte hinter diesen ein schrilles Gezirpe, das im Nu an die zwanzig in Alarmbereitschaft liegende Kämpfer auf den Plan rief, die wie besessen nach draußen stürzten und keinerlei Rücksicht auf die Kette der gerade nach Hause kommenden Arbeiterameisen nahmen, in die Xenia und Barbatus sich eingereiht hatten. Alles ging drunter und drüber, und Xenia gelang es nur mit äußerster Anstrengung, sich aus dem Durcheinander zu befreien und zu der Stelle zu eilen, an der Barbatus in Kampfstellung der sich ihm nähernden Einheit entgegenblickte. Sie erkannte auch sogleich, daß er nicht die geringste Angst verspürte und bereit war, es auf eine Kraftprobe ankommen zu lassen, und um dies zu verhindern, raste sie wie von Sinnen über die Soldaten hinweg, die sich anschickten, einen Kreis um Barbatus zu bilden.
    Ihr Verhalten verwirrte die sich zum Angriff formierende Truppe, und als Xenia sich

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