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Das weiße Mädchen

Das weiße Mädchen

Titel: Das weiße Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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reden. Meistens bin ich nach Dienstende sowieso noch auf einen Schoppen dort.«
    »Wunderbar!«, bekräftigte Lea die Verabredung und notierte Namen und Adresse des Wirtshauses.
     
    Als Lea gegen halb sieben die Wohnung verließ, stieß sie im Hausflur fast mit Kai Zirner zusammen, der eben die Treppe herabkam.
    »Hallo!«, grüßte er fröhlich. »Wie geht es Ihnen?«
    »Danke, gut.«
    »Sie gehen noch aus?«
    »Ja, ich habe eine Verabredung«, sagte Lea.
    Kais Lächeln schwand.
    »Ein Informant«, fügte Lea hinzu, die sich sicher war, seinen enttäuschten Ausdruck richtig zu deuten.
    »Ah.« Sein Gesicht hellte sich sofort auf. »Haben Sie morgen Abend auch schon etwas vor? Ich dachte nur, dass wir vielleicht   …«
    »Ich weiß noch nicht, was morgen anliegt«, half ihm Lea aus der Verlegenheit. »Es hängt vom Fortgang meiner Recherchen ab. Aber wenn ich nichts weiter zu tun habe, bin ich für eine Einladung dankbar.«
    »Abgemacht! Sagen Sie mir einfach Bescheid, wenn Sie Zeit haben.«
    »Bestimmt«, versprach Lea und wandte sich zum Gehen. »Aber jetzt muss ich los. Bis morgen!«
    Sie schloss die Haustür, vielleicht ein wenig zu heftig – doch es war ihr wichtig, dass sie auch wirklich ins Schloss fiel. Der Gedanke, dass Kai ihr nachblicken könnte, während sie über den Kiesweg zur Gartenpforte ging, erfüllte sie mit vagem Unbehagen.
    Warum eigentlich?,
fragte sie sich.
Er wäre doch nicht der erste Mann, der mir auf den Hintern starrt.
    Trotzdem,
meldete sich die skeptische Stimme, die stets aus den Tiefen ihres Unterbewusstseins auftauchte, wenn sie sich zu einem Mann hingezogen fühlte.
Hältst du diese erneute Verabredung für eine gute Idee? Muss er das nicht so verstehen, als wärst du leicht zu haben?
    Schluss damit!,
befahl Lea.
Ich gehe nur mit ihm essen. Schließlich habe ich Urlaub und arbeite trotzdem den ganzen Tag an einer potenziellen Story: Da habe ich mir ein wenig Zerstreuung am Abend verdient.
     
    Lea fuhr eine knappe halbe Stunde über Land, bis sie die Kreishauptstadt Lüchow erreicht hatte, die angesichts ihrer kommunalen Bedeutung überraschend beschaulichund provinziell wirkte. Das »Chickorey«, eine winzige Eckkneipe, befand sich in der Nähe des Bahnhofs. Nach Roman Mircwiz brauchte sie nicht lange zu suchen, denn er war abgesehen von zwei Pärchen der einzige Gast und winkte ihr bereits zu, als sie eintrat.
    Mircwiz erwies sich als ein sympathisch unkomplizierter Mann von Mitte fünfzig, der sofort zu plaudern begann und Lea über ihre Zeitung ausfragte. Bei einem rasch bestellten Schwarzbier erörterten sie mit zunehmender Vertraulichkeit die Vorzüge und Nachteile ihres Berufs, die Entwicklung der Presse im Allgemeinen und am Ende sogar die Macken ihres jeweiligen Chefredakteurs.
    »Sie wollten etwas über Christine Herforth wissen«, kam Mircwiz schließlich von sich aus zum Thema. »Seit ihrem Anruf heute Nachmittag habe ich in meinem Gedächtnis gegraben und mich tatsächlich an vieles erinnert. Worum geht es eigentlich? Machen Sie eine Story daraus?«
    »Ich glaube nicht, dass mein Chef daran interessiert ist«, meinte Lea. »Schließlich gibt es keinen aktuellen Bezug – abgesehen davon, dass einige Verchower behaupten, sie hätten Christines Geist an der Landstraße gesehen.«
    »Tatsächlich?« Mircwiz lachte. »Sieh mal einer an: Die Leute plagt wahrscheinlich das schlechte Gewissen.«
    Lea horchte auf. »Wieso das?«
    »Die Hintergründe kenne ich auch nicht genau. Irgendjemand aus Verchow soll die Herforths einmal angezeigt haben; das zumindest hat mir ein älterer Kollege erzählt. Es ging, glaube ich, um ihre Katzen, die frei in den Wäldern herumstreiften und im Dorf zu einer Art Plage wurden. Angeblich gab es sogar einen Artikel darüber in irgendeinem Wochenblatt – aber das war vor meiner Zeit, und der Kollege wusste auch nichts Genaueres.«
    »Schade!«
    »Allerdings, denn eigentlich hätte die Polizei doch zumindest einen möglichen Zusammenhang prüfen müssen. Eine Anzeige bedeutet schließlich, dass jemand Feinde hat. Ich habe damals den Kripobeamten gefragt, der die Ermittlungen leitete – aber der sagte nur, das sei eine uralte Sache gewesen, die sich als haltlos herausgestellt habe und mit Christines Verschwinden nicht im Zusammenhang stehe.«
    Lea nickte. »Herrn Kriminalrat Dreesen habe ich bereits kennengelernt. Ich weiß, dass er nicht sehr mitteilsam ist.«
    »Trotzdem war es kein Geheimnis, dass die Herforths in Verchow äußerst

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