Das weiße Mädchen
es
ist
wichtig!«, erwiderte Lea schroff. »Ich habe mir Sorgen gemacht.«
»Warum denn?«
»Das ist jetzt egal. Wo warst du, David? Warum hast du dein Handy nicht mitgenommen?«
Ihr Sohn schwieg einen Augenblick. »Ich … wollte nicht gestört werden.«
»Warum?«
»Na ja … also … ich war mit Maja weg.«
Lea ließ sich auf die Bettkante sinken und wischte sich die Tränen fort. »Mit Maja? Du warst mit Maja im Wald?«
»Ja. Ich habe Justin gesagt, er soll es niemandem verraten … Tut mir leid, Mum. Ich wusste ja nicht, dass du anrufen würdest.«
»Ist schon gut«, lenkte Lea ein, die allmählich ihre Fassung wiederfand. Alles war in Ordnung. Ihr Sohn war weder entführt noch bedroht worden, sondern hatte lediglich ein Rendezvous gehabt. Dankbar griff sie die Neuigkeit auf, um ihre Gedanken in andere Bahnen zu lenken. »Und? Wie war’s?«
»Na ja …« David schien nach einer möglichst unverfänglichen Antwort zu suchen. »Interessant.«
»Interessant? Mehr gibt es nicht zu erzählen?«
»Was willst du denn wissen?«
»Habt ihr euch geküsst?« Lea wagte einen direkten Vorstoß.
David seufzte. »Mum … musst du das wirklich wissen?«
»Vergiss es«, sagte sie versöhnlich. »Das war eine dumme Frage. Entschuldige, ich bin im Moment nicht ganz bei mir.«
»Du klingst auch anders als sonst. Was ist denn los, Mum?«
Lea biss sich auf die Lippen. Unmöglich konnte sie David von der Drohung erzählen, die sie erhalten hatte – oder vielleicht doch? Einerseits wollte sie ihn um keinenPreis beunruhigen, andererseits kannte sie ihn und wusste, wie besonnen er im Allgemeinen auf Krisen reagierte.
»Hast du eine zweite E-Mail -Adresse unter deinem richtigen Namen?«, fragte sie schließlich, um die Entscheidung aufzuschieben.
»Nein, ich habe nur die Adresse, die du kennst,
D-Pet 94 @Yahoo.de
. Warum fragst du?«
»Ach«, sagte Lea abwinkend. »Es ist wohl nicht von Bedeutung … Irgendjemand hat mir unter falschem Absender eine Mail geschickt.«
»Dein anonymer Informant?«
»Nein, sicher nicht.«
»Was stand denn drin?«
»Nicht so wichtig.«
»Komm schon, Mum!«, drängte David. »Spuck’s aus.«
»Also gut.« Lea überwand sich. »Darin stand, ich solle gut auf meinen Sohn aufpassen.«
David schwieg einen Moment. »Nur das? Sonst nichts?«
»David, es tut mir so leid!« Erneut fühlte Lea Tränen in sich aufsteigen. »Ich wollte dir das gar nicht erzählen. Offenbar bin ich bei meinen Recherchen zu weit gegangen.«
»Sieht so aus«, stimmte David nachdenklich zu. »Hast du jemanden im Verdacht?«
»Niemand Konkretes …, aber das ist jetzt auch egal. Ich muss weg von hier. Ich wollte sowieso spätestens nächsten Montag zurück sein, wenn du nach Hause kommst. Am besten reise ich gleich morgen früh ab.«
»Schade!«, meinte David, offenbar nicht im mindesten beunruhigt, »wo du offenbar so nah dran bist.«
»Deine leichtsinnige Mutter hat uns beide in Gefahrgebracht.« Die aufsteigenden Tränen begannen zu fließen. »Es tut mir so leid …«
»Nur die Ruhe, Mum«, sagte David. »Und hör auf zu heulen! Für mich klingt es so, als ob dir jemand einen Schrecken einjagen will. Glaubst du wirklich, dass jemand aus diesem Kuhdorf im Wendland schnell mal bis in den Taunus reist, um mich zu kidnappen?«
»Vielleicht sollte ich die Polizei rufen …«
»Vergiss es, Mum! Die können doch auch nichts machen. Wahrscheinlich nehmen sie dich nicht einmal ernst. Was glaubst du, wie viel blöder Spam im Internet herumfliegt? Der Vater von Dennis Wöhner ist mal bedroht worden, weil er an einer Unterschriftenaktion teilgenommen hat. Da hieß es: Dich linkes Schwein machen wir fertig! Glaubst du, der hat Polizeischutz bekommen? Auf der Wache haben sie bloß gesagt: ›Das ist kein konkreter Hinweis, gehen Sie mal schön wieder nach Hause.‹«
»Machst du dir keine Sorgen?«
»Ich sehe nicht ein, warum. Der Fall ist doch klar: Du bist irgendjemandem auf die Füße getreten, und derjenige will erreichen, dass du aus dem Dorf verschwindest. Jetzt wird er erst einmal nichts weiter unternehmen, sondern abwarten, was du tust.«
»Und was
sollte
ich tun?«, fragte Lea, mehr an sich selbst gewandt.
»Tja, wenn du dich wohler fühlst, morgen schon abzureisen, dann musst du das wohl machen. Aber tu’s nicht meinetwegen. Ich passe schon auf mich auf!«
»Das glaube ich dir – aber trotzdem kann ich dich nicht in diese Sache hineinziehen«, entschied Lea. »Morgen
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