Das Weltgeheimnis (German Edition)
Tuschzeichnungen, bei denen es sich laut Prüfung durch zahlreiche Experten vermutlich um Originale handelt.
Bredekamp hebt hervor, mit welcher Plastizität Galilei die zerklüftete Mondoberfläche darstellt. »Es ist für mich das Erstaunlichste, dass es Personen gab, die den Mond ohne diese zeichnerischen Fähigkeiten betrachteten, aber nicht das sahen, was Galilei sah. Das bezeugt, dass zwischen Erkennen und Zeichnen ein unmittelbarer Bedingungszusammenhang besteht. Galilei hat sehend und zeichnend erkannt.«
Sicherlich ist es kein Zufall, dass die neuzeitliche Wissenschaft der Malerei der Renaissance und ihrer neuen Bildsprache auf dem Fuße folgt. Kein geringerer als Leonardo da Vinci hat in seinem Versuch, die Malerei als Wissenschaft zu begründen, seine Kunst als angewandte Mathematik und sich selbst als Mathematiker bezeichnet.
So fremd uns die Darstellungen des Mittelalters teils sind, so vertraut erscheinen uns die Bilder und Zeichnungen eines Leonardo oder Raffael, van Eyck oder Dürer. Nicht zuletzt die Mittel der Perspektive und der Geometrie eröffnen der Malerei ein bis dahin verschlossenes Fenster zur Welt. Der Künstler übersetzt das, was er sieht, in ein System aus Sehstrahlen, die in streng geometrischem Sinn und mit technischen Hilfsmitteln auf die Bildebene projiziert und dort zu einem Abbild zusammengesetzt werden.
Allerdings möchte Leonardo nicht bloß festhalten, was das Auge sieht. In seinen Zeichnungen analysiert er das Zusammenspiel der Muskeln des menschlichen Körpers oder die Strömung des Wassers, zerlegt seine Objekte, vergrößert einzelne Ausschnitte, integriert unterschiedliche Perspektiven in ein und dasselbe Bild. Das Zeichnen ist für ihn ein Erkenntnisinstrument. Leonardo hinterlässt Zehntausende Skizzen, anatomische und botanische Zeichnungen, systematische Studien zur Mechanik und Hydrodynamik.
Zu Galileis Studienzeit in Florenz sind Leonardos Zeichentechniken bereits in Lehrbücher eingegangen, er selbst ist mit der Kunst der Perspektive und des Schattenwurfs bestens vertraut. Als Student hat er die Mathematik über den Umweg der Kunstakademie bei Ostilio Ricci gelernt und dort jene Fertigkeiten erworben, die er später bei seinen Mondzeichnungen einsetzt. In Florenz wird Galilei als Kunstkenner geschätzt, er berät sich mit seinem langjährigen Freund, dem seinerzeit bekannten Maler Ludovico Cigoli, und wird 1613 selbst zum Mitglied der Accademia del Disegno gewählt.
Galilei macht die Zeichnung, die in Medizin und Botanik längst Einzug in wissenschaftliche Werke gefunden hat, auch in der Astronomie zu einem Erkenntniswerkzeug. Sie findet hier ebenfalls schnell Verbreitung. In den 1640er-Jahren zeichnet der belgische Mathematiker Michael Florent van Langren eine wunderbare Mondkarte, kurz darauf gibt der Danziger Astronom Johannes Hevelius ein Astronomiebuch heraus, in dem Zeichnungen vom Mond eine zentrale Rolle spielen.
Bilder der Wissenschaft
Bis zu Galileis Fernrohrbeobachtungen war die Astronomie eine nahezu bilderlose Wissenschaft. Abgesehen von gelegentlich vorbeiziehenden Kometen gab es nichts abzubilden. Der nächtliche Himmel bestand aus vielen kleinen Sternenpünktchen. Man konnte sie zwar zur besseren Orientierung zu phantasievollen Sternbildern gruppieren, aber das war keine Aufgabe der Wissenschaft. Der Astronom beschränkte sich darauf, das regelmäßige Vorüberziehen der Gestirne in Tabellen und Diagrammen festzuhalten.
Ein krasser Gegensatz zur heutigen Astronomie! Der Besuch eines modernen astronomischen Forschungsinstituts ist ein sinnliches Erlebnis. Die Forscher plakatieren ihre Arbeitszimmer und Flure wie Galerien, stellen aktuelle Fotos von Spiral- oder Balkengalaxien aus, Ansichten der neuesten Sonneneruptionen, farbenprächtige Aufnahmen der Saturnringe oder der Marslandschaften. Die Fotosequenzen verschieden alter Galaxien zum Beispiel geben Aufschluss darüber, wie sich die fernen Milchstraßen im Lauf der Jahrmilliarden entwickelt haben, wie kleine Sternsysteme zu großen Welteninseln zusammengewachsen sind.
Nicht weniger beeindruckend ist der Blick in das Familienalbum der Planeten. 3-D-Aufnahmen vom Mars vermitteln eine Vorstellung von der geologischen Geschichte unseres Nachbarplaneten. Anhand solcher Bilder erkennt auch ein Laie sofort die Ähnlichkeit zwischen Mars und Erde: dass es dort Canyons gibt wie in Arizona, Wüsten wie in Afrika, Eis wie in der Arktis und Vulkane wie – nein, so riesige Schildvulkane wie auf dem
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