Das Weltgeheimnis (German Edition)
allein umkreise die Erde, während beide ihre jährliche Bahn um die Sonne vollführen, so sehr aus der Fassung gebracht werden, dass sie meinen, man müsse einen solchen Aufbau des Universums als unmöglich verwerfen«. Jetzt zeigten sich unseren Sinnen gleich vier Gestirne, die den Jupiter umkreisten wie der Mond die Erde und die alle zusammen in einem Zeitraum von zwölf Jahren in einem großen Kreis um die Sonne zögen.
Weiter wagt er sich nicht vor. Ein entschiedenes Plädoyer für die kopernikanische Weltsicht bleibt vorerst aus, denn noch mangelt es ihm an Beweisen. Er möchte sich nicht gleich durch Spekulationen angreifbar machen. Die Entdeckungen sollen erst einmal für sich sprechen.
WARUM IST ES NACHTS DUNKEL?
Kepler und die Sternstunde der Wissenschaft
Rudolf II. hat sich in seiner Prager Burg verschanzt. Er ist verbittert und voller Hass auf seinen Bruder Matthias, der nach seiner Krone greift. Die böhmischen Adligen, die eigentlichen Gewinner des Bruderzwists, haben sich auf dem Hradschin und der Kleinseite der Moldau breitgemacht.
In seiner Burg sitzt der Kaiser wie in einer Falle. Manchmal spielt er mit dem Gedanken zu fliehen. Oder sollte er kämpfen? Dazu stachelt ihn sein ehrgeiziger Vetter an, Erzherzog Leopold, Bischof von Passau. Er möchte Prag und ganz Böhmen lieber heute als morgen rekatholisieren und sich dann selbst die Kaiserkrone aufsetzen. Leopold hat damit begonnen, eine Armee zusammenzuziehen, der Kaiser dagegen scheut sich davor, politische Beschlüsse zu fassen.
Die Vertreter einer hochrangigen toskanischen Gesandtschaft, die sich 1609 in Prag aufhält, zeichnen ein trauriges Bild von den Verhältnissen am Hof. Verwirrt und in krankhafter Melancholie wolle der Kaiser nur mehr allein sein. Er schließe sich in seinem Schloss wie in einem Gefängnis ein, beschreibt Daniel Eremita den Eindruck, den Rudolf II. bei der Delegation hinterlassen hat. Der Kaiser vernachlässige seine Staatsgeschäfte, treibe sich stattdessen in den Ateliers der Maler und in den Labors der Alchemisten herum. Er habe all das zerstört, was früher einmal das Fundament seiner Regierung gewesen sei.
Nicht ohne Grund nennt man ihn »Rodolfo di poche parole«, den Wortkargen. Was in seinem Kopf vorgeht, bleibt selbst seinen engsten Vertrauten verborgen. Er sitzt allein zu Tisch, ist nervös und lärmempfindlich. Manchmal schnitzt er, hört Kammermusik, kauft sündhaft teure Bilder und Bücher, lässt sich Rhinozeroshörner und Magensteine exotischer Tiere, Talismane und Gemmen kommen. Der Kaiser glaubt an die astrale Kraft der Steine und an himmlische Vorzeichen, konsultiert astrologische Berater lieber als den spanischen Botschafter und andere hochrangige Politiker.
Kepler sieht sich mit in der Verantwortung, ihn vor Wahrsagern und Magiern zu schützen. »Die Astrologie bringt den Monarchen ungeheuren Schaden, wenn ein pfiffiger Astrolog mit der Leichtgläubigkeit der Menschen spielen will«, schreibt er an einen Vertrauten des Kaisers. »Dass dies nicht unserem Kaiser zustößt, muss ich mir Mühe geben. Der Kaiser ist leichtgläubig.«
Einer der meistgefragten Sterndeuter am Hof ist Kepler selbst, dessen vorsichtig abwägende Vorhersagen sich von den oft reißerischen Prognosen seiner Kollegen abheben. Von vielen Seiten wird er um Horoskope gebeten, so zum Beispiel von Albrecht von Wallenstein, dem später berühmten Feldherrn im Dreißigjährigen Krieg. Von ihm zeichnet Kepler ein so treffendes wie widersprüchliches Charakterbild.
Astrologische Vorhersagen sind ein heikles Geschäft. Galilei hat sich daran im Januar 1609 die Finger verbrannt. Mit einem Horoskop für den Großherzog der Toskana lag er so daneben, dass sein eigener Stern am Hof der Medici erst einmal sank.
Als die Gefolgsleute des Thronanwärters Matthias schließlich Keplers Auskünfte über die Beschlüsse des Himmels wünschen, kommt auch er in eine brenzlige Situation. Absichtlich macht er ihnen falsche Angaben: Obwohl der Kaiser ungünstige Direktionen hätte, habe er ihm ein langes Leben vorausgesagt, erzählt er einem kaiserlichen Berater.
Den vielen Hofastrologen wirft er unverantwortliches Handeln und Profilierungssucht vor. »Ich bin der Meinung«, so Kepler, »dass die Astrologie nicht nur aus dem Senat heraus muss, sondern auch aus den Köpfen jener, die heute dem Kaiser am besten raten wollen; man muss sie aus dem Gesichtskreis des Kaisers völlig fernhalten.«
Eine Welt hinter Glas
Rudolf II. interessiert sich für
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