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Das Weltgeheimnis (German Edition)

Das Weltgeheimnis (German Edition)

Titel: Das Weltgeheimnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas de Padova
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auf Tausenden Ulmen- und Lärchenholzpfählen errichtet wurde.
    Ständig begegnet er Frauen, die mit gefärbten Haaren, tief ausgeschnittenen Kleidern und auf extrem hohen Schuhen über Venedigs Plätze stolzieren. Die Beschreibung ihrer Mode ist dem Puritaner viele Seiten wert. »Fast alle Frauen, Witwen und Jungfrauen haben, wenn sie ausgehen, die Brust fast völlig entblößt und viele auch den Rücken bis zur Mitte. Einige bedecken sich mit hauchdünnen Linnen.« Die venezianische Mode unterscheidet sich stark von der jenseits der Alpen. Die steife, eintönige spanische Mode mit ihren alles verhüllenden schwarzen Gewändern hat hier nie Fuß fassen können, von dem durch Reformation und Gegenreformation eingeleiteten Sittenwandel ist in der Lagunenstadt wenig zu spüren. Kein Wunder, dass die freizügige Bekleidung der Frauen Coryate unziemlich erscheint. Sie schüre lasterhafte Begierden, schreibt er.
    Trotzdem besucht er eine Kurtisane, eine jener »liebestollen Calypsos«, die ihre Geschäfte nicht nur mit Seemännern und Kaufleuten machen. Er tut dies in der ehrlichen Absicht, die venezianischen Umgangsformen zu studieren und die Prostituierte zu bekehren. Umso mehr bedauert er es, dass seine Worte keine Wirkung bei der Frau zeitigen, obwohl sie doch neben ihrer »lieblich duftenden Bettstatt« ein Bild der Muttergottes hinter venezianischem Kristallglas stehen hat.
    Den »entzückenden Verlockungen« Venedigs erliegt auch Galilei. Zwar erfährt man kaum etwas über seine Ausflüge und schon gar nicht über seine venezianischen Nächte, aber im Jahr 1600 taucht die Geburtsurkunde seiner ersten Tochter Virginia auf, die »in Unzucht« geboren wurde. Die Mutter ist eine Venezianerin namens Marina Gamba.
    Die frühen Biografen Galileis verlieren kein Wort über die wilde Ehe. Selbst Galileis Sohn Vincenzo gibt keinerlei Auskünfte über seine leibliche Mutter. Die Hinweise auf die langjährige Verbindung Galileis mit Marina Gamba erschöpfen sich im Wesentlichen in den drei Geburtsurkunden ihrer gemeinsamen Kinder. Marina Gamba zieht zwar nach der Geburt der ersten Tochter nach Padua um, wohnt aber anscheinend nie in Galileis Haushalt.
    Man bekomme die Frauen der adligen Venezianer und Männer von hohem Stand fast nie zu Gesicht, bemerkt Thomas Coryate. »Denn die Herren sperren ihre Frauen stets hinter den Mauern ihrer Häuser ein.« Selbst bei Einkäufen auf dem Markt begegne man nicht den Frauen, sondern den Männern.
    Schiffbruch in der Lagune
    Der Schiffbau ist Venedigs ganzer Stolz. Auch Coryate besucht bei seinen Streifzügen durch die labyrinthische Stadt das Arsenal, die riesige, wie eine Festung ummauerte Schiffswerft. Er bestaunt prachtvolle Galeeren wie den vergoldeten »Bucintoro« und die immense Zahl von zweihundertundfünfzig Handels- und Kriegsschiffen, die im Arsenal gewartet werden. Ständig arbeiten dort etwa eintausendfünfhundert Mann.
    Seit Jahrhunderten hält die Republik den Seehandel im Mittelmeer durch technische Verbesserungen ihrer Flotte aufrecht. So überrascht es nicht, dass Galilei als Mathematiker bald nach Antritt seiner Professur mit dem künftigen Vorsteher des Arsenals, Giacomo Contarini, in Kontakt kommt. Contarini behelligt den Akademiker mit einer Frage, die angesichts der immer größer werdenden Galeeren von grundsätzlichem Interesse ist: wie nämlich die langen Ruder an die Größe der Schiffe angepasst und am besten gehandhabt werden können.
    Galilei beantwortet Contarinis Anfrage rasch. Dank der Hebelgesetze hat er sofort eine Lösung parat, die allerdings viel zu kurz greift. Die archimedischen Schriften erweisen sich diesmal nämlich als unzureichende Quelle. Aus dem Antwortschreiben Contarinis nur eine Woche später geht hervor, dass Galilei an der Realität vorbeigerechnet hat. Er hat weder das enorme Gewicht der aus dem Schiff herausragenden, bis zu vierzehn Meter langen Ruder bedacht, die leicht brechen können, noch den Raumbedarf auf den Sitzbänken. Oft sitzen drei Männer pro Bank an einem Ruder. Um das historisch bedeutendste Kriegsschiff Venedigs, die schwere Galeasse, in Bewegung zu setzen, braucht man sogar sechs Männer pro Ruder.
    Venedigs Seestreitmacht war mit entscheidend für den Sieg der christlichen Mittelmeerallianz gegen die Türken in der Schlacht von Lepanto 1571, bei der auf insgesamt etwa fünfhundert Schiffen sage und schreibe 150 000 Mann aufeinander trafen. In den Jahrzehnten zuvor hatten die Ingenieure im Arsenal ein neues

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