Das Weltgeheimnis (German Edition)
verändern wird: die Planeten werden von der Sonne auf Kurs gehalten.
»Entweder sind die bewegenden Seelen umso schwächer, je weiter sie von der Sonne entfernt sind, oder es gibt nur eine bewegende Seele im Mittelpunkt aller Sphären, das heißt in der Sonne, die einen Körper umso stärker antreibt, je näher er ihr ist, bei den entfernteren aber wegen des weiten Weges und der damit verbundenen Schwächung der Kraft gewissermaßen ermattet.«
Dass Kepler hier noch von »Seelen« spricht, schmälert die Bedeutung dieser Zeilen nicht. Fünfundzwanzig Jahre später kommentiert er die Ausführungen in seinem Weltgeheimnis mit den Worten: »Dereinst war ich nämlich festen Glaubens, dass die die Planeten bewegende Ursache eine Seele sei … Als ich aber darüber nachdachte, dass diese bewegende Ursache mit der Entfernung nachlässt, genauso wie das Licht der Sonne mit der Entfernung von der Sonne schwächer wird, zog ich den Schluss, diese Kraft sei etwas Körperliches, freilich nicht im eigentlichen Sinn, sondern nur der Bezeichnung nach, wie wir auch sagen, das Licht sei etwas Körperliches, und damit eine von dem Körper ausgehende, jedoch immaterielle Spezies meinen.«
Näher als in diesem Absatz wird Kepler den Begriff der Kraft nicht einkreisen können. Er hat es auch hier mit einem Problem zu tun, für dessen Lösung die Zeit noch lange nicht reif ist. Isaac Newton findet zwar drei Generationen später heraus, wie sich die Schwerkraft mathematisch beschreiben lässt. Die Kraft selbst jedoch, die die Himmelskörper über Millionen Kilometer aneinanderbindet, bleibt mysteriös. Das Gravitationsgesetz, das Albert Einstein im 20. Jahrhundert in seine heute anerkannte Form gebracht hat, ist nach wie vor das geheimnisvollste unter den Naturgesetzen.
Vor diesem Hintergrund kann man Keplers physikalischen Instinkt nur bewundern. Kaum ein Wissenschaftler seiner Zeit wird die Ansichten teilen, die seiner Himmelsphysik zugrunde liegen. Man rät ihm sogar dringend von einer Vermischung von Physik und Astronomie ab.
Der junge Mathematiker lässt sich nicht beirren. Für ihn ist die Mitte des Kosmos kein fiktiver geometrischer Knotenpunkt wie für Kopernikus, sondern der Sitz der Sonne, die die Planeten durch eine mit der Entfernung schwächer werdende Kraft lenkt. In diesem Sinn hat er in seinem ersten Werk vielleicht doch ein Weltgeheimnis gelüftet, ohne das er seine Planetengesetze niemals hätte finden können.
Mit seinem Büchlein verschafft sich der frisch verheiratete Mathematiker sofort Zugang zu Fachkreisen. Er schickt es an Tycho Brahe, der ihn zu einem Forschungsaufenthalt nach Prag einlädt, und nach Italien. Zwei Exemplare gelangen nach Padua und fallen in die Hände eines gewissen Galileo Galilei.
GEFÄHRTEN BEI DER ERFORSCHUNG DER WAHRHEIT
Galilei, der heimliche Kopernikaner
Was hat er sich nicht alles ausgedacht! Schwimmwesten, Fallschirme, Bagger, Bohr- und Spinnmaschinen. Leonardo da Vinci sprüht vor Ideen. »Ich habe die Mittel, sehr leichte Brücken anzufertigen, die sich sehr bequem transportieren lassen, … und ebenso weiß ich Mittel, die Brücken des Feindes in Brand zu setzen und zu vernichten«, schreibt er im Alter von dreißig Jahren an den Herzog von Mailand, Lodovico Sforza. »Wenn nötig, mache ich Bombarden, Mörser und anderes Feldgeschütz. Wo Bombarden nicht verwendet werden können, werde ich Steinwurfmaschinen konstruieren, Schleudern, Ballisten und andere Instrumente, wunderbar und ganz außergewöhnlich. Kurz, ich kann zahllose verschiedenartige Maschinen sowohl für den Angriff wie auch die Verteidigung herstellen.«
Nach diesem aussagekräftigen Bewerbungsschreiben stellt ihn der Fürst im Jahr 1482 ein. Siebzehn Jahre lang arbeitet Leonardo am Hof in Mailand, bis das Herzogtum an die Franzosen fällt und er die Fronten wechselt. Im Dienst der Mächtigen zeichnet er Landkarten und studiert die Bauweise von Festungen, entwirft Geschütze, die aus vielen Rohren gleichzeitig feuern, und stromlinienförmige Geschosse mit Steuerflossen, um den Luftwiderstand zu vermindern.
Leonardos furchterregende Kriegsgeräte werden nie gebaut. Die Zeichen der Zeit aber hat er erkannt: Europa rüstet auf. Und ausgerechnet der Herzog von Mailand, der die Franzosen herbeigerufen hat, bekommt die Zerstörungskraft der neuen Waffen als einer der Ersten zu spüren.
Die französischen Söldnerheere ziehen mit beweglichen Kanonen durch Italien. »In Städten wie Rapallo oder in den befestigten
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