Das Werk - 14
als die mittelmäßigen Werke, die angenommen wurden; aber wie litt er darunter, daß er sich niemals ganz hingeben konnte in dem Meisterwerk, das er seinem Genius nicht abzuringen vermochte! Es gab immer noch prächtige Stücke unter seinen Bildern, er war mit diesem, mit jenem und mit jenem auch noch zufrieden. Warum also Versager? Warum seiner unwürdige Partien, die während der Arbeit unbemerkt blieben und dann das Bild mit einem unverwischbaren Schandfleck umbrachten? Und er fühlte sich nicht imstande, Verbesserungen vorzunehmen, eine Mauer erhob sich augenblicklich, ein unüberschreitbares Hindernis, über das hinauszugehen ihm versagt war. Wenn er sich das Stück zwanzigmal wieder vornahm, er machte es nur noch zwanzigmal schlimmer, alles verschwamm, und es gab eine heillose Schmiererei. Er verlor die Nerven, konnte nicht mehr sehen, brachte nichts mehr zustande, es kam mit ihm so weit, daß sein Wille richtig gelähmt wurde. Lag das denn an seinen Augen, lag das an seinen Händen, die ihm den Dienst versagten, weil die alten Körperschäden weiter fortschritten, die ihn bereits beunruhigt hatten? Die Krisen stellten sich immer häufiger ein, er begann wieder gräßliche Wochen zu durchleben, rieb sich auf, schwankte ständig zwischen Ungewißheit und Hoffnung; und der einzige Halt während dieser schlimmen Stunden, in denen er sich verbissen über das widerspenstige Werk hermachte, war der tröstliche Traum vom künftigen Werk, von dem Werk, bei dem er endlich Befriedigung finden würde, bei dem seine Hände sich frei machen würden zum Schaffen. Seltsamerweise eilte so sein Schaffensbedürfnis stets seinen Fingern voraus, und er arbeitete niemals an einem Gemälde, ohne schon das folgende zu planen. Er lebte allein in der Hast, sich die Arbeit, die er unter den Händen hatte und bei der er mit dem Tode rang, vom Halse zu schaffen; ohne Zweifel, das würde noch nichts wert sein, er hatte sich dabei auf unselige Zugeständnisse, auf Mogeleien, auf alles das eingelassen, was ein Künstler aus seinem Gewissen verbannen soll; aber was er dann machen würde, ach, was er dann machen würde, das sah er jetzt schon prächtig und heldenhaft, unangreifbar, unzerstörbar. Ewiges Trugbild, das den Mut der zur Kunst Verdammten aufpeitscht, Lüge aus Zärtlichkeit und Erbarmen, ohne die etwas hervorzubringen unmöglich wäre für alle jene, die da sterben, weil sie kein Leben erwecken können!
Und abgesehen von diesem unaufhörlich neu beginnenden Ringen mit sich selbst häuften sich die materiellen Schwierigkeiten. War es denn nicht genug, daß es ihm nicht gelang, das aus sich herauszuholen, was in ihm steckte? Er mußte sich außerdem noch mit allem möglichen herumschlagen! Obwohl er es nicht eingestehen wollte, wurde das Malen nach der Natur im freien Licht unmöglich, sobald das Gemälde bestimmte Ausmaße überschritt. Wie sich in den Straßen inmitten der Menschenmengen aufstellen? Wie die für jede Gestalt nötige Zeit zum Modellstehen erhalten? Es war klar, daß das nur bestimmte fest umrissene Sujets zuließ, Landschaften, begrenzte Winkel der Stadt, wo die Gestalten nur nachträglich hingesetzte Schattenrisse sind. Dann gab es die tausend witterungsbedingten Verdrießlichkeiten, den Wind, der die Staffelei umriß, den Regen, der die Arbeit unterbrach. An solchen Tagen ging er, außer sich vor Zorn, heim, drohte dem Himmel mit der Faust, beschuldigte die Natur, sie wehre sich, um nicht genommen und besiegt zu werden. Er beklagte sich bitter, daß er nicht reich war, denn er träumte von einem fahrbaren Atelier, von einem Wagen in den Straßen von Paris, von einem Schiff auf der Seine, in denen er wie ein Kunstzigeuner hätte leben können. Aber nichts half ihm, alles verschwor sich gegen seine Arbeit.
Christine litt mit Claude. Sehr tapfer hatte sie seine Hoffnungen geteilt und das Atelier mit ihrer hausfraulichen Rührigkeit aufgeheitert; und nun setzte sie sich entmutigt hin, als sie ihn so kraftlos sah. Jedesmal, wenn sein Bild abgelehnt wurde, zeigte sie einen heftigen Schmerz, war sie verletzt in ihrem weiblichen Selbstgefühl, weil sie wie alle Frauen stolz auf den Erfolg war. Die Bitterkeit des Malers verbitterte auch sie, sie fühlte seine Leidenschaften, hatte sich identifiziert mit seinen Geschmacksrichtungen, verteidigte seine Malerei, die gleichsam ein Stück von ihr selber geworden war, die große Sache ihres Lebens, die einzige hinfort wichtige, die, von der sie ihr Glück erhoffte. Sie ahnte
Weitere Kostenlose Bücher