Das Werk - 14
setzen; und er erkannte im übrigen die Nützlichkeit des Salons an, des einzigen Schlachtfeldes, auf dem sich mit einem Schlag herausstellte, ob jemand ein Künstler war. Die Jury lehnte das Bild ab.
Das zweite Jahr suchte er ein Gegenstück dazu. Er wählte eine Ecke des Square des Batignolles im Mai: Schatten werfende dicke Kastanienbäume, eine perspektivisch sich verjüngende Rasenfläche, sechsstöckige Häuser im Hintergrund, während im Vordergrund auf einer grellgrünen Bank Dienstmädchen und Kleinbürger aus dem Viertel nebeneinandersaßen und drei kleinen Mädels zuschauten, die gerade im Sand Kuchenbacken spielten. Nachdem er die Erlaubnis erwirkt hatte, dort zu malen, mußte er, um mit seiner Arbeit inmitten der spöttelnden Menge gut voranzukommen, geradezu Heldenmut aufbringen. Schließlich hatte er den Entschluß gefaßt, schon um fünf Uhr morgens zu kommen, um den Hintergrund zu malen; und da er die Figuren aussparte, hatte er sich entschließen müssen, von ihnen nur Skizzen zu nehmen und sie dann im Atelier fertigzustellen. Dieses Mal kam ihm das Bild weniger roh vor, die Faktur hatte etwas von der düsteren Milderung in sich, die vom Atelierfenster herabsank. Er glaubte, das Bild werde angenommen, alle Freunde schrien: »Ein Meisterwerk!« und verbreiteten das Gerücht, daß es im Salon umwälzend wirken werde. Und man war bestürzt, entrüstet, als von einer erneuten Ablehnung durch die Jury gemunkelt wurde. Die Voreingenommenheit war nicht mehr zu leugnen, es handelte sich um das systematische Abwürgen eines eigenständigen Künstlers. Er aber kehrte nach der ersten Aufregung seine Wut gegen sein Bild, das er für verlogen, unehrlich, abscheulich erklärte. Das war eine verdiente Lehre, an die er denken würde: Hatte er denn wieder auf dieses Kellerlicht des Ateliers verfallen müssen? Kehrte er denn wieder zur schäbigen Hausmannskost der aus dem Gedächtnis hingesetzten Männerchen zurück? Als das Gemälde ihm wieder zuging, nahm er sein Messer und zerschlitzte es.
Deshalb war er im dritten Jahr rasend darauf aus, ein Werk der Empörung zu schaffen. Er wollte die pralle Sonne, diese Sonne von Paris, die an bestimmten Tagen, wenn sie blendend von den Fassaden zurückgestrahlt wurde, das Pflaster zur Weißglut erhitzte: nirgends ist es heißer, selbst die Leute aus den sonnenverbrannten Ländern wischen sich den Schweiß ab, man möchte meinen, man stehe auf der Erde Afrikas unter dem schweren Glutregen eines Feuerhimmels. Zum Vorwurf nahm er eine Ecke des Place du Carrousel um ein Uhr mittags, wenn das Gestirn seine Strahlen senkrecht herabprallen läßt. Eine Droschke stuckerte vorbei mit dösendem Kutscher, mit schweißtriefendem Pferd, das den Kopf gesenkt hielt, und verschwamm im Flirren der Hitze; Vorübergehende wirkten trunken, während allein eine junge Frau, die rosig und heiter aussah unter ihrem Sonnenschirm, mit Königinnenschritt leicht einherwandelte, als seien die Flammen ihr eigentliches Lebenselement. Aber was dieses Bild vor allem furchtbar machte, das war das neue Studium des Lichts, diese Zergliederung, die auf sehr genauer Beobachtung beruhte und gegen alle Gewohnheiten des Auges anging, indem sie die blauen, gelben und roten Töne dort hervorhob, wo niemand gewohnt war, sie zu sehen. Die Tuilerien im Hintergrund lösten sich auf in Goldgewölk; die Pflastersteine bluteten, die Vorübergehenden waren nur noch Andeutungen, düstere Flecke, die weggefressen wurden von der zu grellen Helligkeit. Dieses Mal waren die Kumpel, obgleich sie noch in Bewunderungsrufe ausbrachen, verlegen, waren ergriffen von ein und derselben Unruhe: am Ende einer solchen Malerei stand das Martyrium. Aus ihren Lobsprüchen hörte er sehr wohl heraus, daß sich ein Bruch vollzog; und als die Jury ihm von neuem den Salon verschlossen hatte, rief er in einer Minute der Hellsichtigkeit aus:
»Jetzt ist es klar … Ich werde daran verrecken!«
Wenn auch durch seine Beharrlichkeit sein Mut zu wachsen schien, verfiel er doch allmählich wieder in seine Zweifel von einst, denn der Kampf, den er gegen die Natur durchstand, hatte ihn arg mitgenommen. Jedes Gemälde, das ihm zurückgeschickt wurde, kam ihm schlecht vor, unvollständig vor allem, der unternommenen Anstrengung nicht entsprechend. Diese Unfähigkeit brachte ihn hoch, mehr noch als die Ablehnung durch die Jury. Gewiß, er verzieh es der Jury nicht: seine Werke, auch wenn sie sich noch im Anfangsstadium befanden, waren hundertmal mehr wert
Weitere Kostenlose Bücher