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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Zusammenkünfte unter Kumpeln.
    So kam es, daß Christine, die im Grunde sehr bewegt war unter ihrer gespielten Gleichgültigkeit, drei Stunden lang hörte, wie sich ihr Mann und die Trauzeugen fieberhaft über Mahoudeaus Prachtweib ereiferten. Seit nun alle die Geschichte kannten, kauten sie jede kleinste Einzelheit durch. Sandoz fand das Ganze sehr verwunderlich. Jory und Gagnière erörterten die Festigkeit der Gerüste, wobei der erstere Mitgefühl wegen des Geldverlustes zeigte, während der zweite anhand eines Stuhls bewies, daß man die Statue hätte halten können. Was Mahoudeau betraf, der noch ganz erschüttert und benommen war, so klagte er über eine Zerschlagenheit, die er zuerst nicht gespürt hatte: alle Glieder schmerzten ihn, seine Muskeln waren gequetscht, seine Haut zerschunden, als habe er sich den Armen einer steinernen Geliebten entrungen. Und Christine wusch ihm die Schramme auf seiner von neuem blutenden Wange aus, und es war ihr, als setzte sich diese verstümmelte Frauengestalt mit ihnen an den Tisch, als käme ihr allein an diesem Tag Bedeutung zu, als wecke sie allein die Leidenschaft Claudes, der mit seinem schon zwanzigmal wiederholten Bericht kein Ende fand und immer wieder sagte, wie tiefbewegt er gewesen sei angesichts dieses Busens und dieser zermalmten Hüften aus Ton zu seinen Füßen.
    Beim Nachtisch jedoch gab es eine Ablenkung.
    Gagnière fragte Jory plötzlich:
    »Was ich noch sagen wollte, du, ich habe dich am Sonntag mit Mathilde gesehen … Ja, ja, in der Rue Dauphine.«
    Jory, der hochrot geworden war, versuchte zu lügen, aber seine Nase wackelte, sein Mund verzog sich, er schickte sich an, mit dummer Miene zu lachen:
    »Ja, eine Begegnung … Ehrenwort, ich weiß nicht einmal, wo sie wohnt, ich hätte es euch doch gesagt.«
    »Was, du hältst sie versteckt?« schrie Mahoudeau. »Du kannst sie behalten, niemand wird sie von dir zurückverlangen.«
    Die Wahrheit war, daß Jory mit all seinen Gewohnheiten, seiner Vorsicht und seinem Geiz, gebrochen hatte und nun Mathilde in einer kleinen Stube einsperrte. Sie hielt ihn fest durch sein Laster, er glitt in den Ehestand mit diesem Weibsbild, das ihn aussaugte, er, der, um nicht bezahlen zu müssen, einst von dem lebte, was er auf der Straße auf las.
    »Ach was, man nimmt eben sein Vergnügen, wo man es findet«, sagte Sandoz voller philosophischer Duldsamkeit.
    »Das ist sehr wahr«, antwortete Jory lediglich und zündete sich eine Zigarre an.
    Es wurde spät, die Nacht brach herein, als man Mahoudeau heimbrachte, der unbedingt zu Bett gehen wollte.
    Und als Claude und Christine nach Hause kamen und Jacques bei der Concierge abholten, war das Atelier ganz kalt, von einem so dichten Dunkel ertränkt, daß sie lange umhertappten, bevor sie die Lampe anstecken konnten. Auch mußte der Ofen wieder angezündet werden, es schlug sieben Uhr, als sie schließlich behaglich aufatmeten. Aber sie hatten keinen Hunger, sie aßen einen Rest Brei auf, aber mehr um das Kind zu veranlassen, seine Suppe zu essen, und als sie es ins Bett gebracht hatten, ließen sie sich unter der Lampe nieder, so wie an allen Abenden. Allerdings hatte sich Christine keine Handarbeit vorgenommen, sie war zu aufgewühlt, um zu arbeiten. Sie blieb sitzen, die Hände müßig auf dem Tisch, und schaute Claude an, der sich sofort in eine Zeichnung vertieft hatte, eine Ecke seines Bildes, Arbeiter des Hafens SaintNicolas, die Gips ausluden. Ein unbezwingliches Träumen, Erinnern, Bedauern zog auf dem Grunde ihrer ins Leere blickenden Augen in ihr vorüber; und allmählich wurde es eine wachsende Traurigkeit, ein großer stummer Schmerz, der sie ganz zu überkommen schien inmitten dieser Gleichgültigkeit, dieser grenzenlosen Einsamkeit, in die sie so nahe bei ihm verfiel. Er saß zwar immer noch bei ihr, dort an der anderen Seite des Tisches, aber sie fühlte, daß er weit weg war, dort unten, vor der Spitze der CitéInsel, weiter weg noch, in der unzugänglichen Unendlichkeit der Kunst, so weit weg nun, daß sie ihn niemals mehr würde einholen können! Mehrmals hatte sie versucht zu plaudern, ohne ihn zu einer Antwort bewegen zu können. Die Stunden verstrichen, sie döste ein beim Nichtstun, schließlich zog sie ihre Geldbörse hervor und zählte ihr Geld.
    »Weißt du, was wir besitzen, um unseren Ehestand zu beginnen?«
    Claude blickte nicht einmal auf.
    »Wir besitzen neun Sous … Ach, was für ein Elend!«
    Er zuckte die Schultern, er schimpfte

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