Das Werk - 14
Schutt, den ein Kippkarren hier ausgeladen hatte, zerfressen, jammervoll, das Gesicht von den großen, schwarzen Tränen des Regens hohlgewaschen. Der Schlüssel steckte in der Tür, Claude ging hinein.
»Nanu! Du kommst mich abholen?« sagte Mahoudeau überrascht. »Ich muß mir nur noch den Hut aufsetzen … Aber, warte mal, ich frage mich eben, ob ich nicht ein bißchen Feuer machen sollte. Ich habe Angst um mein Prachtweib.«
Das Wasser eines Zubers war zu Eis geworden, es fror im Atelier ebenso stark wie draußen; denn Mahoudeau, der seit acht Tagen nicht einen Sou mehr hatte, ging sehr sparsam mit dem kleinen Rest Kohle um und machte den Ofen nur für ein oder zwei Stunden morgens an. Dieses Atelier war eine Art tragikerfülltes Grabgewölbe, neben dem der Laden von einst Erinnerungen an warmes Wohlbehagen erweckte, die kahlen Wände und die rissige Decke warfen einem ein eisiges Schweißtuch über die Schultern. In den Ecken schlotterten vor Kälte andere Statuen, die weniger im Wege standen, mit Leidenschaft angefertigte Gipsarbeiten, die ausgestellt worden, dann wieder hierher zurückgekommen waren, weil sich keine Käufer fanden, hatten die Nase der Wand zugekehrt, bildeten eine düstere Reihe von Krüppeln; mehrere waren bereits zerbrochen und stellten die Stümpfe ihrer Glieder zur Schau, alle verdreckt vom Staub, verkleistert mit Lehmerde; und diese elenden nackten Gestalten zogen so ihren Todeskampf jahrelang hin unter den Augen des Künstlers, der ihnen sein Herzblut gegeben, der sie zunächst trotz des sehr beschränkten Platzes mit eifersüchtiger Leidenschaft aufbewahrt hatte, und nahmen dann die groteske Scheußlichkeit toter Dinge an, bis er eines Tages einen Hammer ergriff und ihnen selber den Rest gab, sie zu Gips zertrümmerte, um sie sich vom Halse zu schaffen.
»Was? Du sagst, wir haben noch zwei Stunden Zeit?« fing Mahoudeau an. »Na schön, ich werde ein tüchtiges Feuer machen, das ist gescheiter.«
Während er im Ofen Feuer machte, beklagte er sich mit zorniger Stimme. Ach, was für ein Hundeberuf war doch diese Bildhauerei! Die schlechtesten Maurer waren glücklicher dran. Eine Figur, die die Behörde für dreitausend Francs kaufte, hatte fast zweitausend gekostet, das Modell, der Ton, der Marmor oder die Bronze, alle möglichen Kosten; und das alles, damit das fertige Werk dann in irgendeinem amtlichen Keller unter dem Vorwand, es fehle an Platz, eingelagert wurde: dabei waren die Denkmalsnischen leer, die Sockel warteten in den Parks, aber wie dem auch sei, es fehlte eben immer an Platz. Bei den Privatleuten war keine Arbeit möglich, kaum ein paar Büsten, dann und wann auf Bestellung ein hingepfuschtes Standbild zu herabgesetztem Preis. Die edelste der Künste, die männlichste, ja, aber die Kunst, bei der man sicher vor Hunger verreckte.
»Macht dein Dings Fortschritte?« fragte Claude.
»Ohne diese vermaledeite Kälte wäre es fertig«, antwortete er. »Du mußt dir’s mal ansehen.«
Er stand wieder auf, nachdem er gehorcht hatte, ob der Ofen auch bullerte. Mitten im Atelier erhob sich auf einem Modelliersockel, der aus einer Kiste hergestellt und durch Verstrebungen gesichert war, eine in alte Wäsche wie in Windeln gewickelte Statue; und da die Wäsche stark gefroren und in den Falten spröde und hart war, zeichnete sich die Statue darunter ab wie unter dem Weiß eines Leinentuchs. Das war endlich sein letzter Traum, der sich bis jetzt aus Geldmangel nicht verwirklichen ließ: eine stehende Gestalt, die Badende, von der mehr als zehn Entwürfe seit Jahren bei ihm herumstanden. In einer Stunde ungeduldigen Aufbegehrens hatte er selber ein Gerüst aus Besenstielen hergestellt und war dabei ohne das notwendige Eisen ausgekommen, weil er hoffte, daß das Holz haltbar genug sein werde. Dann und wann rüttelte er an der Gestalt, um mal nachzusehen; aber sie hatte sich noch nicht bewegt.
»Verflixt!« murmelte er. »Feurige Luft wird ihr guttun … Das ist ja festgeklebt auf ihr, ein richtiger Panzer.«
Die Wäschestücke krachten unter seinen Fingern, zerbrachen in Eisstücke. Er mußte warten, bis die Wärme sie etwas aufgetaut hatte; und mit unendlicher Vorsicht wickelte er die Frau aus den Windeln, den Kopf zuerst, dann den Busen, dann die Hüften, war glücklich, sie unversehrt zu sehen, und lächelte wie ein Verliebter beim Anblick der Nacktheit eines angebeteten Weibes.
»Na, was sagst du dazu?«
Claude, der die Statue nur im Entwurf gesehen hatte, nickte, um nicht
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