Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
sofort antworten zu müssen. Klar, dieser gute Mahoudeau beging Verrat, gelangte dabei zu der Anmut wider Willen infolge der schönen Sächelchen, die unter seinen dicken Fingern, den Fingern eines ehemaligen Steinmetzen, erblühten. Seit seiner riesigen Weinleserin war er in seinen Werken immer kleiner geworden, ohne das anscheinend selber zu merken, denn er führte immer noch das wilde Wort Temperament im Munde, überließ sich aber der Lieblichkeit, in der seine Augen ertranken. Die riesenhaften Brüste wurden kindlich, die Schenkel streckten sich zu eleganten Spindelbeinen, das war schließlich die wahre Natur, die unter dem abschwellenden Ehrgeiz durchbrach. Seine Badende war zwar noch übertrieben, aber bereits von großem Liebreiz, mit dem Erschauern ihrer Schultern, ihren beiden zusammengepreßten Armen, die ihre Brüste hochschoben, liebliche Brüste, vom Verlangen nach dem Weibe geformt, das bei seinem Elend noch schlimmer wurde; und da er notgedrungen keusch lebte, hatte er daraus ein sinnliches Fleisch geschaffen, das ihn verwirrte.
    »Also, gefällt dir’s nicht?« fragte er mit verärgerter Miene.
    »Oh, doch, doch … Ich glaube, du hast recht, wenn du die Sache ein bißchen abmilderst, denn du empfindest so. Und du wirst damit Erfolg haben. Ja, das ist ganz offensichtlich, das wird sehr gefallen.«
    Mahoudeau, den solche Lobseshymnen sonst stutzig gemacht hätten, schien entzückt zu sein. Er erklärte, er wolle das Publikum erobern, ohne etwas von seinen Überzeugungen aufzugeben.
    »Ach, Himmelsakrament! Da fällt mir ein Stein vom Herzen, daß du zufrieden bist, denn ich hätte sie zusammengehauen, wenn du mir gesagt hättest, ich soll sie zusammenhauen, auf Ehre! – Noch vierzehn Tage Arbeit, und ich versetze das allerletzte, um den Gießer zu bezahlen … Na? Damit werd ich toll dastehen beim Salon. Vielleicht krieg ich eine Medaille!« Er lachte, wurde aufgeregt, und sich unterbrechend, sagte er: »Wir haben es ja nicht eilig, setz dich doch … Ich warte, bis die Tücher ganz aufgetaut sind.«
    Der Ofen begann rot zu werden, eine große Hitze ging von ihm aus. Da eben schien die Badende, die ganz in seiner Nähe stand, aufzuleben unter dem warmen Odem, der ihr am Rückgrat hochstrich, von den Fesseln bis zum Nacken.
    Und beide saßen sie nun da, sie betrachteten sie weiter von vorn und plauderten von ihr, sprachen über sie in allen Einzelheiten und verweilten bei jedem Teil ihres Leibes.
    Vor allem der Bildhauer geriet in Erregung vor Freude, liebkoste sie von ferne mit einer runden Gebärde. Na? Der muschelförmige Bauch und diese hübsche Falte in der Taille, die die Schwellung der linken Hüfte hervorhob!
    In diesem Augenblick glaubte Claude, der auf den Bauch starrte, er habe eine Wahnvorstellung. Die Badende bewegte sich, über den Bauch war wie eine leichte Welle ein Erzittern hingelaufen, die linke Hüfte hatte sich noch mehr gespannt, als wolle sich das rechte Bein gleich in Bewegung setzen.
    »Und die kleinen Flächen, die auf die Lenden zu verlaufen«, fuhr Mahoudeau fort, ohne das geringste zu merken. »Ach, das habe ich sorgsam ausgearbeitet! Da, Alter, die Haut, die ist wie Atlasseide.«
    Allmählich kam Leben in die ganze Statue. Die Hüften rollten, die gekreuzten Arme öffneten sich, der Busen hob sich in einem tiefen Seufzen. Und auf einmal neigte sich der Kopf, die Schenkel knickten ein, die Badende fiel hin, stürzte wie ein lebendiges Weib mit der entsetzten Angst, der Schmerzensaufwallung einer Frau, die sich wegwirft.
    Claude begriff endlich, als Mahoudeau einen furchtbaren Schrei ausstieß:
    »Himmelsakrament! Das zerbricht ja, sie schmeißt sich hin!«
    Beim Auftauen hatte der Ton das zu schwache Holz des Gerüsteszerbrochen. Es krachte, man hörte, wie Knochen zersplitterten.
    Und mit derselben Liebesgebärde, bei der er in Fieber geriet, wenn er die Badende von weitem liebkoste, breitete er die Arme aus, auf die Gefahr hin, von der Statue erschlagen zu werden.
    Einen Augenblick schwankte sie, dann schlug sie stracks hin aufs Gesicht, war an den Knöcheln abgeschnitten, und nur ihre Füße blieben am Brett kleben.
    Claude war herzugestürzt, um ihn zurückzuhalten.
    »Verdammter Kerl! Die zermalmt dich!«
    Aber zitternd vor Angst, sie werde am Boden vollends zerschellen, blieb Mahoudeau mit ausgestreckten Händen stehen. Und sie schien ihm um den Hals zu fallen, er empfing sie mit einer Umarmung, preßte die Arme um diese große jungfräuliche Nacktheit, die wie beim

Weitere Kostenlose Bücher