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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Zuneigung. Niemals wurde hier musiziert, und niemals wurde hier eine Seite Literatur vorgelesen.
    An diesem Donnerstag schien der Abend in der anhaltenden dumpfen Gereiztheit kein Ende zu nehmen. Die Damen hatten vor dem langsam erlöschenden Feuer zu plaudern angefangen; und da der Diener, nachdem er den Tisch abgeräumt hatte, wieder die Tür zum Nebenzimmer öffnete, blieben sie allein, die Männer gingen nach nebenan, um zu rauchen und ein Bier zu trinken.
    Sandoz und Claude, die nicht rauchten, kamen bald zurück und setzten sich auf ein Kanapee in der Nähe der Tür.
    Sandoz, der sich freute, seinen alten Freund aufgekratzt und gesprächig zu sehen, rief ihm Jugenderinnerungen an Plassans ins Gedächtnis zurück; Anlaß bot ihm eine Neuigkeit, die er am Vortage erfahren hatte: Ja, Pouillaud, der Spaßmacher von damals im Schlafsaal des Internats, der ein so ernster Advokat geworden war, hatte Scherereien, weil er sich mit kleinen zwölfjährigen Flittchen hatte erwischen lassen. Ach, dieses Rindvieh, der Pouillaud!
    Aber Claude antwortete nicht mehr, er spitzte die Ohren, weil er gehört hatte, wie im Eßzimmer sein Name fiel und er zu verstehen suchte, was da gesagt wurde.
    Unbefriedigt und mäkelig hatten Jory, Mahoudeau und Gagnière wieder mit der Hechelei begonnen. Ihre anfangs flüsternden Stimmen wurden nach und nach lauter, bis sie schrien.
    »Oh, den Mann, den überlasse ich euch gerne«, sagte Jory, der von Fagerolles sprach. »Der taugt nicht viel … Und er hat euch reingelegt, ja, das stimmt, was hat er euch reingelegt, als er mit euch gebrochen und seinen Erfolg auf eure Kosten errungen hat! Ihr seid auch nicht gerade gewitzt gewesen.«
    Wütend antwortete Mahoudeau:
    »Weiß Gott! Man braucht bloß mit Claude zusammen zu sein, und schon wird man überall vor die Tür gesetzt.«
    »Claude, der hat uns unmöglich gemacht«, bestätigte Gagnière unverhohlen.
    Und sie redeten weiter, ließen von Fagerolles ab, dem sie seine Kriecherei vor den Zeitungen, sein Zusammengehen mit ihren Feinden, sein Schöntun bei sechzigjährigen Baroninnen vorwarfen, und zogen nun über Claude her, der in ihren Augen an allem schuld war. Mein Gott! Fagerolles war alles in allem nur ein kleines Nuttchen, wie es so viele unter den Künstlern gab; die die Leute an den Straßenecken ankobern, die ihre Kumpels stehenlassen und schlechtmachen, um die Spießer mit hoch zu nehmen. Aber Claude, dieser große Maler, dieser Versager, der zu nichts imstande war und trotz seines Hochmuts nicht fähig, eine einzige Gestalt richtig hinzukriegen, der hatte ihnen genug Unannehmlichkeiten gebracht und sie genug reingerissen! Ach ja, wenn man Erfolg haben wollte, mußte man mit ihm brechen! Wenn sie noch einmal von vorn beginnen könnten, würden sie nicht mehr die Dummheit begehen, starrköpfig auf unmöglichen Geschichten zu beharren! Und sie beschuldigten ihn, er habe sie gelähmt, er habe sie ausgebeutet, jawohl, ausgebeutet, und zwar so ungeschickt und so plump, daß er selber keinerlei Nutzen davon gehabt hatte.
    »Hat er mich nicht schließlich für eine Weile ganz blöde gemacht?« versetzte Mahoudeau. »Wenn ich daran denke, fasse ich mir jetzt noch an den Kopf; ich begreife nicht mehr, warum ich mich ihm angeschlossen habe. Bin ich ihm denn irgendwie ähnlich? Gibt es denn irgend etwas Gemeinsames zwischen uns? – Na? Das kann einen ja hochbringen, daß man das erst so spät merkt!«
    »Und mir hat er doch meine Originalität gestohlen!« fuhr Gagnière fort. »Glaubt ihr, daß es mir Spaß macht, seit fünfzehn Jahren bei jedem Bild immer wieder zu hören, wie man hinter mir sagt: Das ist doch ein Claude Lantier! – Ach, nein, ich habe das satt, ich möchte lieber gar nichts mehr machen … Trotzdem, wenn ich damals klargesehen hätte, würde ich mich nicht mit ihm eingelassen haben.«
    Das war das Rettesichwerkann, die letzten Bindungen zerrissen in der allgemeinen Bestürzung darüber, auf einmal zu merken, daß sie einander nun fremd und feind waren nach einer langen, in Brüderlichkeit verbrachten Jugend. Das Leben hatte sie unterwegs auseinanderlaufen lassen, und ihre tiefe Verschiedenartigkeit trat deutlich zutage, in der Kehle hatten sie nur noch den bitteren Geschmack ihres begeisterten Traumes von einst, dieser Hoffnung, Seite an Seite zu kämpfen und zu siegen, die nun ihren Groll verschlimmerte.
    »Tatsache ist«, lachte Jory höhnisch, »daß Fagerolles nicht so ein Einfaltspinsel gewesen ist, sich ausplündern

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