Das Werk - 14
Mahoudeau dieser Fron entledigt und er in einer Ecke des Salons Gagnière wiedergetroffen hatte, fingen beide an zu feixen und sich in schrecklichen Worten an die Scheußlichkeiten von einst zu erinnern. Was? Die hatte jetzt Zähne? Sie, die früher zum Glück nicht beißen konnte!
Man wartete noch auf Dubuche, denn er hatte sein Kommen ausdrücklich zugesagt.
»Ja«, erklärte Henriette laut, »wir werden nur neun sein. Fagerolles hat uns heute früh geschrieben und sich entschuldigt: ein offizielles Diner, zu dem er urplötzlich gehen mußte … Er wird sich dort fortstehlen und gegen elf Uhr zu uns kommen.«
Aber in diesem Augenblick wurde eine Depesche gebracht. Dubuche telegraphierte: »Kann unmöglich fort. Alice hustet besorgniserregend.«
»Nun ja, da sind wir eben nur acht«, fuhr Henriette fort, mit der bekümmerten Schicksalsergebenheit einer Hausfrau, die sieht, wie sich ihre Gäste verkrümeln. Und da der Diener die Tür zum Eßzimmer geöffnet und der gnädigen Frau gemeldet hatte, daß aufgetragen sei, fügte sie hinzu: »Wir sind alle beisammen … Reichen Sie mir bitte Ihren Arm, Claude.«
Sandoz hatte Mathildes Arm genommen, Jory nahm sich Christines an, während Mahoudeau und Gagnière folgten und weiter unverblümt über das ihre Witze machten, was sie als das Ausstopfen der schönen Kräuterkrämerin bezeichneten.
Das Speisezimmer, das sie jetzt betraten, war sehr groß, und wenn man aus dem diskret erleuchteten Salon kam, wirkte das Licht hier grell und heiter. Die mit alten Fayencen bedeckten Wände zeigten die spaßigen Farbtöne von Epinaler Bilderbogen. Zwei Anrichten, die eine voller Kristallgeschirr, die andere voller Silberzeug, funkelten wie Schaufenster voller Juwelen. Und vor allem glutete der Tisch in der Mitte wie ein Katafalk unter den Kerzen des Kronleuchters mit dem Weiß seines Tischtuchs, das die schöne Ordnung der Gedecke hervorhob, die gemalten Teller, die geschliffenen Gläser, die weißen und roten Karaffen, die rings um die Blumen in der Mitte, einen Korb roter Rosen, symmetrisch angeordneten Vorspeisen.
Man nahm Platz, Henriette zwischen Claude und Mahoudeau, Sandoz zwischen Mathilde und Christine, Jory und Gagnière an beiden Enden, und der Diener war noch nicht ganz fertig mit dem Herumreichen der Suppe, als Frau Jory einen schrecklichen Satz von sich gab. Da sie liebenswürdig sein wollte und die Entschuldigungen ihres Mannes nicht gehört hatte, sagte sie zum Herrn des Hauses:
»Na, Sie werden sich über den Artikel heute früh gefreut haben. Edouard hat selber die Fahnen mit soviel Sorgfalt gelesen!«
Aufs höchste verlegen, stammelte Jory:
»Nein doch, nein doch! Der Artikel ist sehr schlecht, du weißt doch, daß er neulich abends während meiner Abwesenheit durchgegangen ist.«
In dem peinlichen Schweigen, das eingetreten war, begriff sie, daß sie etwas falsch gemacht hatte. Aber sie verschlimmerte alles noch, sie warf ihrem Mann einen scharfen Blick zu und antwortete ganz laut, um ihn niederzuschmettern und sich von ihm zu distanzieren:
»Wieder eine von deinen Lügen! Ich wiederhole nur, was du mir gesagt hast … Höre, ich will nicht, daß du mich lächerlich machst!«
Diese Worte legten über den Beginn des Abendessens eine eisige Stimmung. Vergeblich empfahl Henriette die Kilki, einzig Christine fand sie sehr gut.
Sandoz, den Jorys Verlegenheit ergötzte, erinnerte ihn, als die gegrillten Steinbarben erschienen, an ein Essen, das sie einst zusammen in Marseille zu sich genommen hatten. Ach ja, Marseille, die einzige Stadt, in der man zu essen versteht!
Claude, der seit einer Weile in Gedanken versunken war, schien aus einem Traum zu erwachen und fragte unvermittelt: »Ist es denn schon entschieden? Haben sie denn schon die Künstler für die neue Ausstattung des Hôtel de Ville ausgesucht?«
»Nein«, sagte Mahoudeau, »das wird aber bald geschehen … Ich, ich werde nichts abkriegen, ich habe keine Beziehungen … Fagerolles selber ist sehr besorgt. Wenn er heute abend nicht hier ist, so liegt das daran, daß so was eben nicht von allein geht … Seine guten Tage sind vorbei. Mit ihrer Millionenmalerei geht es schief, kommt es zum Krachen.«
Er lachte kurz auf, in endlich befriedigtem Groll, und Gagnière am anderen Ende des Tisches ließ ebenfalls ein höhnisches Gekicher hören. Da machten sie sich in schlimmen Reden Luft, sie freuten sich über den Zusammenbruch, der die Welt der jungen Meister in Bestürzung versetzte. Das war
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