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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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aufgetragen wurden und deren scharfe Soße den Raum mit Harzgeruch erfüllte.
    »Na, riecht ihr das?« rief Sandoz vergnügt. »Man möchte meinen, man verspachtelt alle Wälder Rußlands.«
    Aber Claude kam wieder auf das zurück, was seine Gedanken einzig und allein beschäftigte.
    »Also ihr meint, daß Fagerolles den Auftrag für den Sitzungssaal des Stadtrats bekommt?«
    Und dieses Wort genügte. Mahoudeau und Gagnière waren wieder in ihrem Fahrwasser und legten von neuem los. Ach, ein hübsches Getünche würde dabei herauskommen, wenn man ihm diesen Saal gab; und er beging ja genug Gemeinheiten, um ihn zu kriegen. Er, der früher so tat, als spucke er auf Aufträge, er, der große Künstler, der von den Kunstliebhabern mit Arbeit überhäuft wurde, er belästigte nun die Behörden mit seinen Kriechereien, seit sich seine Malereien nicht mehr verkaufen ließen. Hatte man so etwas Unterwürfiges schon gesehen wie einen Maler vor einem Beamten, und die Katzbuckeleien, und die Zugeständnisse, und die feigen Niederträchtigkeiten? Eine Schande, eine Erziehung zur Dienstbotenmentalität war diese Abhängigkeit der Kunst von der Gnade und Barmherzigkeit eines Ministers, der keine Ahnung hatte! So war Fagerolles bei diesem offiziellen Diner todsicher damit beschäftigt, irgendeinem Bürovorsteher, irgendeinem Erztrottel gewissenhaft die Stiefel zu lecken!
    »Mein Gott!« sagte Jory. »Er macht seine Geschäfte, und er hat recht … Ihr werdet ja nicht seine Schulden bezahlen.«
    »Schulden, habe ich denn welche, der ich vor Hunger fast verreckt bin?« entgegnete Mahoudeau unwirsch. »Läßt man sich denn einen Palast bauen, muß man denn eine Geliebte haben wie Irma, die einen zugrunde richtet?«
    Von neuem unterbrach ihn Gagnière mit seiner seltsamen Orakelstimme, die fern und brüchig klang:
    »Irma, aber die bezahlt ihn doch!«
    Man wurde böse, man machte Witze, der Name Irmas flog über den Tisch hin und her; aber Mathilde, die bis dahin zurückhaltend und stumm gewesen war, weil sie das für besonders fein hielt, bekundete nun mit erschrockenen Gebärden lebhafte Entrüstung, verzog prüde den Mund wie eine Betschwester, die vergewaltigt wird.
    »Oh, meine Herren, aber meine Herren … In unserer Gegenwart erwähnen Sie diese Dirne … Nicht diese Dirne, um Gottes willen nicht!«
    Von da an mußten Henriette und Sandoz bestürzt mit ansehen, wie ihr Essen in einem heillosen Durcheinander zu Ende ging. Der Trüffelsalat, das Eis, der Nachtisch, alles wurde freudlos hinuntergeschlungen in der zunehmenden Wut des Streites; und der Chambertin und der Moselwein flossen durch die Gurgeln wie klares Wasser. Vergeblich lächelte Henriette, vergeblich bemühte sich Sandoz gutmütig, die anderen zu beruhigen, wobei er auf die menschlichen Unzulänglichkeiten hinwies. Nicht einer gab nach, ein einziges Wort hetzte sie wieder verbissen aufeinander. Das war nicht mehr die unbestimmte Langeweile, das schläfrige Gesättigtsein, das mitunter früher die Zusammenkünfte trübselig gestimmt hatte; das war jetzt Kampfeswut, ein Bedürfnis nach Zerstörung. Die Kerzen im Kronleuchter brannten sehr hoch, die Fayencen an den Wänden brachten ihre gemalten Blüten zum Erblühen. Die Tafel schien in Feuer geraten zu sein bei dieser sinnlosen Zerstörung der kunstvollen Ordnung der Gedecke, bei diesem Plündern, bei diesem Ungestüm der Reden, die sie dort seit zwei Stunden in Fieber versetzte.
    Und als sich Henriette entschloß aufzustehen, um sie zum Schweigen zu bringen, sagte Claude endlich inmitten des Lärms:
    »Ach, das Hôtel de Ville, wenn ich das hätte, und wenn ich könnte! – Das war mein Traum, die Wände von Paris mit Malereien zu bedecken!«
    Man ging in den Salon zurück, in dem der kleine Kronleuchter und die Wandlampen soeben angezündet worden waren. Es war hier fast kalt im Vergleich zu der Badestuben wärme, aus der sie kamen; und der Kaffee beruhigte die Gäste für einen Augenblick. Übrigens wurde außer Fagerolles niemand mehr erwartet. Das Ehepaar Sandoz hielt seinen Salon nur für einen geschlossenen Kreis, warb nicht um den Zulauf von Literaten, setzte nicht durch geschickt verteilte Einladungen der Presse einen Maulkorb auf. Die Dame des Hauses mochte so viele Leute nicht um sich, der Gatte sagte lachend, er brauche zehn Jahre, bis er jemand gern habe, und zwar für immer gern habe. War das nicht das unerreichbare Glück? Ein paar feste Freundschaften, ein traulicher Winkel verwandtschaftlicher

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