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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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unvermeidlich, die Voraussagen bewahrheiteten sich, die übertriebene Hausse in Bildern lief auf eine Katastrophe hinaus. Seitdem die Panik die unter dem Wehen der Baisse113 von der Kopflosigkeit der Börsenleute angesteckten Kunstliebhaber ergriffen hatte und die Preise von Tag zu Tag stürzten, wurde überhaupt nichts mehr verkauft. Und man mußte den berühmten Naudet inmitten des heillosen Durcheinanders sehen! Zunächst hatte er standgehalten, er war auf den Trick mit dem Amerikaner gekommen, mit dem einzigen hinten in einer Galerie verborgenen Gemälde, das einsam war wie ein Gott, mit dem Gemälde, dessen Preis er nicht einmal nennen wollte, in der geringschätzigen Gewißheit, keinen Mann zu finden, der reich genug war, und das er schließlich für zwei oder dreihunderttausend Francs an einen Schweinehändler aus New York verkaufte, der sich vor Stolz nicht lassen konnte, daß er das teuerste Gemälde des Jahres mit nach Hause nahm. Aber solche Tricks ließen sich nicht wiederholen, und Naudet, dessen Ausgaben mit den Einnahmen zugenommen hatten, wurde mitgerissen und verschlungen von der tollen Bewegung, die sein Werk war, und hörte nun, wie unter ihm sein königlicher Palast einstürzte, den er gegen den Ansturm der Gerichtsvollzieher verteidigen sollte.
    »Mahoudeau, Sie nehmen ja keine Steinpilze nach«, unterbrach Henriette verbindlich.
    Der Diener legte das Filet vor, man speiste, man leerte die Weinkaraffen, es herrschte aber eine so gespannte Stimmung, daß die guten Dinge herumgereicht wurden, ohne daß man ihnen mit Genuß zusprach, worüber der Herr und die Dame des Hauses untröstlich waren.
    »Wie? Steinpilze?« wiederholte schließlich der Bildhauer. »Nein, danke.« Und er fuhr fort: »Das spaßige ist, daß Fagerolles von Naudet gerichtlich verfolgt wird. Jawohl! Er ist drauf und dran, ihn pfänden zu lassen … Ach, ich könnte mich totlachen. Wir werden bald ein Großreinemachen in der Avenue de Villiers zu sehen bekommen bei all den kleinen Malern mit Villen. Das Haus wird im Frühjahr für nichts zu haben sein … Also, Naudet, der Fagerolles ja damals zu bauen gezwungen und ihn wie eine Hure eingerichtet hatte, hat nun seine Nippsächelchen und seine Wandbehänge zurückhaben wollen. Aber der andere hat sie verpfändet, wie es scheint … Die Geschichte ist also folgende: der Händler beschuldigt ihn, sein Geschäft dadurch verdorben zu haben, daß er aus Eitelkeit und Unbesonnenheit ausstellte; der Maler erwidert, daß er sich nicht mehr bestehlen lassen will; und sie werden sich wohl bald gegenseitig auffressen, wie ich hoffe.«
    Gagnière ließ seine Stimme vernehmen, die unerbittliche sanfte Stimme eines aus dem Schlaf erwachten Träumers:
    »Wegrasiert, der Fagerolles! – Übrigens hat er ja nie Erfolg gehabt.«
    Man erhob laut Einspruch. Und sein Jahresabsatz von hunderttausend Francs, und seine Medaillen, und sein Kreuz?
    Aber eigensinnig lächelte Gagnière mit geheimnisvoller Miene, als vermöchten die Tatsachen nichts gegen seine aus dem Jenseits kommende Überzeugung. Voller Geringschätzung schüttelte er den Kopf.
    »Laßt mich doch in Frieden! Niemals hat er gewußt, was ein Farbwert ist.«
    Jory schickte sich gerade an, Fagerolles’ Talent in Schutz zu nehmen, den er ja schließlich als sein Werk ansah, da bat Henriette ihre Gäste um ein wenig Aufmerksamkeit für die Raviolis.
    Eine kurze Entspannung trat ein beim kristallenen Klang der Gläser und beim leichten Klappern der Gabeln. Die Tafel, deren schöne Symmetrie bereits in Unordnung geriet, schien sich noch mehr zu entzünden am scharfen Feuer des Streits.
    Und von Unruhe befallen, wunderte sich Sandoz: Was hatten sie denn, daß sie Fagerolles so derb angriffen? Hatten sie nicht zusammen angefangen, mußten sie es nicht zu etwas bringen im gemeinsamen Sieg? Unbehagen trübte zum ersten Mal seinen Traum von Ewigkeit, diese Freude seiner Donnerstage, die er aufeinanderfolgen sah, alle gleich, alle glücklich, bis in die letzten Fernen des Alters. Aber das war erst ein leiser Schauder auf der Haut Er sagte lachend:
    »Claude, mäßige dich, da sind die Haselhühner … Na, Claude, wo bist du denn?«
    Seit alles schwieg, war Claude verlorenen Blickes wieder in seinen Traum zurückgesunken und nahm von den Raviolis, ohne es zu wissen; und Christine, die nichts sagte, die traurig und entzückend aussah, ließ ihn nicht aus den Augen. Er zuckte zusammen und wählte eine Keule aus unter den Haselhuhnstücken, die gerade

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