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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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dich, geh wieder schlafen, bleib nicht auf dieser Leiter, wo du dir noch was holen wirst.«
    Er antwortete nicht, er bückte sich von neuem, um seinen Pinsel in die Farbe zu tauchen, und er brachte die Schamleisten zum Lodern, die er mit zwei Strichen grellem Zinnober deutlich hervorhob.
    »Claude, hör doch auf mich, geh zurück mit mir, um Gottes willen, du weißt, daß ich dich Hebe, du siehst, wie besorgt du mich gemacht hast … Komm zurück, oh, komm zurück, wenn du nicht willst, daß auch ich mich hier beim Warten auf den Tod erkälte.«
    Er sah nicht hin zu ihr mit seinem stieren Blick, er stieß, während er den Nabel karminrot erblühen ließ, mit heiserer Stimme lediglich hervor:
    »Laß mich gefälligst in Frieden, he! Ich arbeite!«
    Einen Augenblick verharrte Christine stumm. Sie richtete sich wieder auf, in ihren Augen entbrannte ein düsteres Feuer, ein Aufbegehren schwellte ihr sonst so sanftes und anmutiges Wesen. Dann platzte sie los mit dem donnernden Grollen einer Sklavin, die zum Äußersten getrieben ist.
    »Nein, ich lasse dich nicht in Frieden! – Nun langt es, ich werde dir sagen, was mich erstickt, was mich umbringt, seit ich dich kenne … Ach, diese Malerei, ja, deine Malerei, die ist die Mörderin, die mein Leben vergiftet hat. Ich hatte es gleich am ersten Tage geahnt; ich habe Angst vor ihr gehabt wie vor einem Untier, ich fand sie abscheulich, gräßlich; und dann war ich feige, ich liebte dich zu sehr, um sie nicht auch zu lieben, ich habe mich schließlich an sie gewöhnt, an diese Verbrecherin … Aber später habe ich darunter gelitten, wie hat sie mich doch gequält! Ich kann mich nicht entsinnen, in zehn Jahren auch nur einen Tag ohne Tränen verbracht zu haben … Nein, lasse mich ausreden, ich mache meinem Herzen Luft, ich muß sprechen, denn jetzt habe ich die Kraft dazu gefunden … Zehn Jahre lang vernachlässigt, tagtäglich zertreten; nichts mehr für dich zu bedeuten, sich immer mehr beiseite geschoben zu fühlen, zur Rolle einer Magd herabzusinken; und zu sehen, wie sich die andere, die Diebin, niederläßt zwischen dir und mir, und dich nimmt, und triumphiert, und mich beleidigt … Denn wage doch zu behaupten, sie hätte dich nicht Glied um Glied in ihre Gewalt gebracht, dein Hirn, dein Herz, dein Fleisch, alles! Und wie ein Laster hält sie dich fest, sie frißt dich. Kurzum, sie ist deine Frau, nicht wahr? Nicht mehr ich, sie schläft mit dir … Ach, die Verruchte, die Hure!«
    Nun hörte Claude ihr zu, verwundert über diesen lauten Aufschrei des Leids, noch nicht richtig erwacht aus seinem verzweifelten Schöpfertraum; er verstand noch nicht recht, warum sie so zu ihm sprach.
    Und angesichts dieser Verstörtheit, dieses Erzitterns des bei seinen Ausschweifungen überraschten und gestörten Mannes brauste sie noch mehr auf, sie stieg auf die Leiter, sie riß ihm die Kerze aus der Faust, nun fuchtelte sie damit vor dem Bild herum.
    »Aber sieh doch hin! Aber so sag doch, was du da angerichtet hast! Das ist scheußlich, das ist jammervoll und grotesk! Du mußt das doch schließlich merken! Na? Ist das nicht häßlich, ist das nicht dumm? – Du siehst genau, daß du besiegt bist, warum versteifst du dich noch weiter darauf? Das hat doch keinen Sinn und Verstand, das ist’s, was mich empört. Wenn du auch kein großer Maler sein kannst, so bleibt uns doch noch das Leben, ach, das Leben, das Leben …« Sie hatte die Kerze oben auf den Leitertritt gestellt, und da er strauchelnd herabgeklettert war, sprang sie zu ihm herunter, und sie waren beide wieder unten, er war auf die letzte Stufe gesunken, sie kauerte da und preßte mit aller Kraft seine reglos herabhängenden Hände. »Sieh doch, das Leben ist da … Verjage deinen Alptraum und laß uns leben, zusammen leben … Ist es nicht zu dumm, daß wir uns quälen, wo wir beide nur uns zwei haben und schon alt werden, und daß wir nicht verstehen, Glück zu schaffen? Die Erde wird uns zeitig genug aufnehmen. Versuchen wir doch, es uns ein bißchen warm zu machen, zu leben, uns zu lieben! Denk doch an Bennecourt! – Hör, was mein Traum ist. Ich, ich möchte dich am liebsten gleich morgen fortschaffen. Wir würden weit wegziehen von diesem vermaledeiten Paris, wir würden irgendwo ein Fleckchen der Ruhe finden, und du würdest sehen, wie süß ich dir das Dasein machen könnte, wie gut das wäre, einander in den Armen zu liegen und alles zu vergessen … Am nächsten Morgen schlafen wir lange in dem großen Bett;

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