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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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suchen … Aber ich hatte keine! Ich fühle es deutlich, daß ich nicht alt geworden bin, daß ich immer noch jung, immer noch stark bin …« Da er sich noch immer sträubte, rief sie dann: »Sieh doch her!«
    Sie war drei Schritte zurückgetreten; und mit einer weit ausholenden Gebärde streifte sie ihr Hemd ab; ganz nackt stand sie da, reglos, in jener Pose, die sie während des langen Modellstehens eingenommen hatte. Mit einer einzigen Bewegung des Kinns wies sie auf die Gestalt auf dem Bild.
    »Komm, du kannst vergleichen, ich bin jünger als sie … Du magst ihr noch soviel Geschmeide auf die Haut legen, diese Haut ist welk wie ein trockenes Blatt … Ich, ich bin immer noch achtzehn Jahre, weil ich dich liebe.«
    Und im blassen Licht strahlte sie tatsächlich vor Jugend. Und in dieser gewaltigen Aufwallung der Liebe streckten sich die bezaubernden schlanken Beine, die Hüften weiteten ihre seidige Rundung, der feste Busen stand straff, prall vom Blut ihres Verlangens. Schon hatte sie Claude wieder gepackt, preßte sich an ihn, nun ohne dieses lästige Hemd; und ihre Hände verirrten sich, befühlten ihn überall, an den Lenden, an den Schultern, als suche sie sein Herz in dieser tastenden Liebkosung, in diesem Besitzergreifen, mit dem sie ihn sich anscheinend zu eigen machen wollte, während sie ihn mit einem Mund, der nicht genug bekommen konnte, ungestüm auf die Haut, auf den Bart, auf die Hemdsärmel küßte, wo es gerade hintraf. Ihre Stimme verhauchte, sie redete nur noch mit keuchendem, von Seufzern unterbrochenem Atem.
    »Oh, komm zurück, oh, wir wollen uns lieben … Du hast wohl kein Blut, daß Schatten dir genügen. Komm zurück, und du wirst sehen, wie gut es ist zu leben … Hörst du! Leben und einander umhalsen, ganze Nächte so verbringen, aneinandergepreßt, miteinander verschmolzen, und am nächsten Tag wieder von vorn beginnen, und immer wieder, und immer wieder …«
    Er erbebte, nach und nach erwiderte er ihre Umarmung, in der Angst, die ihm die andere, das Götzenbild, eingejagt hatte; und Christine verdoppelte ihre Verführungskünste, sie machte ihn weich und eroberte ihn.
    »Höre, ich weiß, daß du einen gräßlichen Gedanken hast, ja! Ich habe niemals gewagt, mit dir darüber zu sprechen, weil man das Unglück nicht herbeirufen darf; aber ich kann nachts nicht mehr schlafen, du machst mir angst … Heute abend bin ich dir dorthinunter nachgegangen auf die Brücke, die ich hasse, und ich habe gezittert, oh, ich habe geglaubt, es sei alles aus, ich hätte dich nicht mehr … Mein Gott, was sollte aus mir werden? Ich brauche dich, du willst mich doch nicht etwa umbringen! Wir wollen uns lieben, wir wollen uns lieben …«
    Da gab er sich hin, gerührt von dieser unendlichen Leidenschaft. In einer grenzenlosen Traurigkeit, einem Vergehen der ganzen Welt, zerschmolz sein Wesen. Rasend preßte er sie nun auch an sich, schluchzte dabei und stammelte:
    »Das stimmt, ich habe den gräßlichen Gedanken gehabt … Ich hätte es getan, aber dann habe ich an dieses unvollendete Bild gedacht, und ich habe widerstanden … Aber kann ich noch leben, wenn die Arbeit mich nicht mehr will? Wie leben nach alledem, nach dem, was dort ist, was ich vorhin versaut habe?«
    »Ich werde dich lieben, und du wirst leben.«
    »Ach, niemals wirst du mich genug lieben … Ich kenne mich gut. Ich brauchte eine Freude, die es nicht gibt, irgend etwas, was mich alles vergessen läßt … Du bist schon kraftlos gewesen. Du vermagst nichts.«
    »Doch, doch, du wirst sehen … Da! Ich werde dich so nehmen, ich werde dich auf die Augen küssen, auf den Mund, auf alle Stellen deines Leibes. Ich werde dich wärmen an meinem Busen, ich werde meine Beine um deine Beine schlingen, ich werde meine Arme um deine Lenden legen, ich werde dein Atem sein, dein Blut, dein Fleisch …«
    Dieses Mal war er besiegt, er brannte zusammen mit ihr, suchte Zuflucht in ihr, wühlte seinen Kopf zwischen ihre Brüste und bedeckte sie nun seinerseits mit Küssen.
    »Nun gut! Rette mich, ja, nimm mich, wenn du nicht willst, daß ich mich umbringe … Und ersinne Glück, laß mich ein Glück erkennen, das mich zurückhält … Schläfere mich ein, lösche mich aus, mache mich zu deiner Sache, so sehr zu deinem Sklaven, so klein, daß mein Platz unter deinen Füßen, in deinen Pantoffeln ist … Ach, da hinabsteigen, nur von deinem Duft leben, dir wie ein Hund gehorchen, essen, dich haben und schlafen, wenn ich das doch könnte, wenn ich das

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