Das Werk - 14
daß Zola durch die Übernahme einer für die impressionistische Schule in dieser Periode insgesamt typischen Thematik für das im ersten Teil des Romans im Mittelpunkt stehende Bild Claudes – bei gleichzeitiger Vermeidung der direkten Übernahme eines der wirklich vorhandenen, hierher gehörenden Bilder – die Festlegung seiner Gestalt auf einen einzigen der impressionistischen Maler vermeiden, zugleich aber seine Repräsentanz für alle wahren, wenn nicht sogar vergrößern wollte.
Die bereits erwähnten Konkordanzen und Divergenzen des Werdegangs Claudes gegenüber den Lebensläufen der als Protagonisten angeführten Maler Cézanne und Manet, die Zusammenschmelzung von Details aus verschiedenen, oft auch zeitlich auseinanderliegenden Ereignissen in einzelnen Szenen deuten in die gleiche Richtung der Verarbeitung der Wirklichkeit in Zolas Roman.
Das heißt, für die konstitutiven Teile der Romanhandlung hat Zola zwar authentisches Material benützt, es aber entsprechend den Notwendigkeiten seiner künstlerischen Fiktion abgewandelt. Für die Darstellung des Hintergrunds, der allgemeinen Zeitverhältnisse und des speziellen Milieus, in dem sich diese Künstlertragödie abspielt, hat Zola die realen Vorgänge, deren Augenzeuge er ja selbst gewesen war, mit oft geradezu dokumentarischer Treue übernommen. Sie erscheinen im Roman allerdings gebrochen durch das Prisma einer über zwanzig Jahre Distanz hinwegreichenden Erinnerung und einer bereits einmal vorgenommenen journalistischen Aufbereitung. Sie können daher auch nicht als Gradmesser für sein allgemeines Kunstverständnis oder sein Verkennen der Genialität seines Freundes Cézanne benutzt werden.
Aber dieses Material ist auf die Gesamthandlung zugeordnet, selbst wenn Eindrücke, Meinungen, Urteile, die Zola in den Salonberichten von 1866 und 1867 und in seiner ManetStudie festgehalten hatte, im Roman an verschiedenen Stellen, oft wortwörtlich wiederauftauchen. Oft werden sie verschiedenen Personen in den Mund gelegt.
So erscheint Zola selbst in seiner Funktion als Romanschriftsteller, Literaturtheoretiker, Journalist und Kunstkritiker gleichsam aufgespalten in die Figur von Sandoz, die zweifelsohne Zolas Freundschaftsverhältnis zu Cézanne, aber auch seine literarischen Theorien, seine künstlerischen Pläne und philosophischen Überzeugungen zum Ausdruck bringt, und zum zweiten in die Figur des Journalisten Jory, der mit seinen lärmenden Berichten im »Tambour« die reale Rolle Zolas im »Evénement« wiederholt, den Zola nach seinen eigenen Angaben im Entwurf seinem Freund Alexis und seinem Kollegen Maupassant nachbilden wollte, und zum dritten ist etwas von Zolas eigenen Plänen und Wünschen auch in die Zentralgestalt eingegangen, in diesen Maler Claude, der von riesigen Gemälden träumt, »einer verdammten Folge von Gemälden«, die so wie Zolas Romanreihe »das Leben, so wie es in den Straßen vorüberzieht, das Leben der Armen und der Reichen, auf den Märkten, auf den Rennplätzen, auf den Boulevards, in den volkreichen Gassen« darstellen soll, kurz, »alle Gewerbe bei der Arbeit; alle Leidenschaften wieder aufrecht ins Tageslicht stellen; und die Bauern, und die Tiere, und das Landleben«.
Solche Bildträume Claudes, die über die malerische Zielsetzung hinausschießen und tatsächlich »literarisieren«, sind ebenfalls als Beweis für Zolas Unverständnis in Fragen der Malerei angeführt worden.
Hier geht es Zola jedoch offensichtlich weniger darum, tatsächliche Bildvorwürfe aufzuzählen, als den unbändigen Schaffensdrang seines Helden, dieses Wirkenwollen ins Große zu charakterisieren. Es handelt sich um Züge und Eigenschaften der Hauptgestalt, die für die Sichtbarmachung der spezifischen Romanproblematik notwendig sind und nicht für die Beurteilung von Zolas Kunstverständnis herangezogen werden können. Die Bilder, die Zola Claude und seine Freunde tatsächlich malen läßt, sind der »facture« nach alle mehr oder weniger impressionistisch: » … man greift moderne Gegenstände auf, man malt hell, in freier Luft und bemüht sich um neue Studien des Lichts …« Christines Reaktion auf diese Malerei, die man ebenfalls als einen Beweis für den »naturalistischen« Charakter der im Roman beschriebenen Bilder angeführt hat, ist ganz einfach die Reaktion des Durchschnittspublikums auf die Malerei der Impressionisten, die Zola ebenfalls auf mehrere Personen auseinandergefaltet hat, außer auf Dubuche und dessen spießige
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