Das Werk - 14
es im Louvre nicht hundert Bilder, die ebenso angelegt sind?« Doch Dubuche bleibt wie das damalige Pariser Publikum bei seiner Meinung: »Das Publikum wird das nicht verstehen … Das Publikum wird das schweinisch finden … ja, das ist schweinisch.«
Und auch der »geschickte« Fagerolles erkennt in der Ausstellung auf den ersten Blick, daß dieses kühne Sujet die Besucher schockieren muß, und findet es »erzdumm, so was auszustellen«. Denn das Publikum sieht in einem Bild zunächst nur ein bestimmtes Sujet. Für Manet aber war das Sujet nach dem Bericht Zolas ebenso ein »Vorwand zum Malen« wie für Claude. Denn als Sandoz den Titel »Im Freien« zu nichtssagend findet, erwidert ihm Claude, dieser Titel »braucht nichts zu sagen … Frauen und ein Mann ruhen in einem Walde im Sonnenschein. Genügt das denn nicht?«
Aber nicht nur diese Details des Romans stimmen mit der Darstellung der tatsächlichen Vorgänge in der ManetStudie fast wortwörtlich überein, auch die Szene mit dem verständnislosen, dummen, gehässigen, spöttischen Verhalten des Publikums vor Claudes Bild im Salon der Abgelehnten ist sicher dem wirklichen Skandal nachgezeichnet, den Manets »Frühstück im Freien« ausgelöst hatte.
Zugleich ist jedoch die Wiedergabe dieser realen Vorgänge von 1863 im Roman mit einem zweiten authentischen, allerdings dem ersten Impressionistensalon von 1874 entstammenden Vorkommnis gekoppelt. In diesem Salon war ein Bild Monets, »Impression«, ausgestellt, das dazu führte, daß die ganze Schule den Namen »Impressionismus« erhielt, so wie in der ersten Salonszene im Roman der Begriff »freies Licht« (pleinair), als Schlagwort von Mund zu Mund gehend, von der Schar um Claude schließlich als Gruppenbezeichnung aufgegriffen wird: »Das freie Licht, das macht ihnen Spaß!« sagt Claude nach dem Salonbesuch zu den Freunden. »Sei’s drum! Da sie es nun mal so wollen, das freie Licht, die Freilichtschule! He? Das gab es nur unter uns, das gab es gestern noch gar nicht, nur bei ein paar Malern, und da bringen sie nun das Wort unter die Leute, sie, die Gründer dieser Schule! Oh, mir soll’s recht sein. Meinetwegen die Freilichtschule!« Und so wie in der Ausstellungsszene verschiedene auf die ganze Schule bezügliche Details sogar aus einem längeren Zeitraum zusammengezogen wurden, erinnert auch das Bild Claudes trotz aller prinzipiellen Ähnlichkeit des Sujets mit Manets »Frühstück im Freien« in gewissen Einzelheiten zugleich an die Bilder anderer Impressionisten.
Manets Original stellt auf einem Hintergrund von Laubwerk und Bäumen mit einem Fluß, in dem eine Frau im Hemd badet, eine Vordergruppe von drei Personen dar, eine nackte Frau und zwei Herren in dunklen Jacketts« die im Grase sitzen. Neben ihnen liegen auf einem blauen Tuch die Reste von Mundvorräten.
Claudes Bild dagegen zeigt einen Herrn in Samtweste, der, auf die linke Hand gestützt, den Rücken dem Betrachter zugewandt, im Grase sitzt. Neben ihm liegt mit geschlossenen Augen, den einen Arm unter den Kopf geschoben, die nackte Frauengestalt, bei deren Schilderung im Roman schon etwas von der Erotisierung der Zentralfigur des Schlußbildes zu spüren ist (» … ein Frauenleib im Träum, eine begehrte Eva, die aus der Erde geboren wird, mit ihrem Antlitz, das blicklos bei geschlossenen Lidern lächelt«), und im Hintergrund sieht man zwei weitere nackte Frauen, die miteinander ringen oder spielen. Die erotisierende Note des Bildes könnte als ein Hinweis auf die erotisierende Tendenz in gewissen Jugendbildern Cézannes gewertet werden. Man hat deshalb und zugleich wegen der liegenden Stellung der Frau und der Haltung des Herrn auch die »Neue Olympia« Cézannes (1873) als Vorbild für Claudes »Im Freien« angeführt und in den beiden weiblichen Figürchen im Hintergrund, die Wiedergabe einer Gruppe aus Cézannes »Liebeskampf« sehen wollen. Andererseits zeigt jedoch auch Manets »Olympia« (1865) einen liegenden Frauenakt. Die Kritik, die Claude selbst an seinem Bilde übt, ließe sich hingegen auf gewisse ungelenke Stellen in Cézannes eigenem »Frühstück im Freien« beziehen, das allerdings keinen Frauenakt enthielt. Das gleiche Thema war im übrigen auch von Monet dargestellt worden in einem Gemälde, von dem nur noch Bruchstücke erhalten sind, die keinen näheren Vergleich gestatten. Im einzelnen bestehen zwischen all diesen Bildern und dem im Roman beschriebenen Gemälde feine Unterschiede und Abweichungen.
Es scheint,
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