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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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wiederum entglitt.
    »Schon gut, ich gehe … Und du bist doch heute abend bei Sandoz?«
    »Ja, ich glaube, wenn man mich nicht irgendwo zum Essen dabehält.«
    Beide gerieten außer Atem. Der Haufe stürmte im selben Tempo weiter und zog seinen Weg in die Länge, um durch noch mehr Straßen zu randalieren. Nachdem er die Rue du Four hinuntergerannt war, war er quer über den Place Gozlin gerast, und nun stürmte er in die Rue de l’Echaudé. An der Spitze hüpfte der Handkarren, der immer toller gezogen, gestoßen wurde, über das holprige Pflaster, und die Reißbretter, mit denen er beladen war, vollführten dabei einen jammervollen Tanz; der Schwarm galoppierte hinterdrein und zwang die Vorübergehenden, sich eng an die Häuser zu drücken, falls sie nicht umgerissen werden wollten; und Ladeninhaber, die gähnend vor ihren Türen standen, glaubten, eine Revolution sei ausgebrochen. Das ganze Viertel war in Aufruhr. In der Rue Jacob wurde der Krach bei dem gräßlichen Geschrei so schlimm, daß Fensterläden geschlossen wurden. Als der Haufe endlich in die Rue Bonaparte einbog, machte sich ein großer Blonder den Spaß, sich ein kleines Dienstmädchen, das verdutzt auf dem Bürgersteig stand, zu greifen und es mitzuschleppen. Ein Strohhalm in einem reißenden Strom.
    »Na ja, leb wohl«, sagte Claude. »Bis heute abend!«
    »Ja, bis heute abend!«
    Außer Atem war der Maler an der Ecke der Rue des BeauxArts stehengeblieben. Das Tor zum Hof der Ecole des BeauxArts vor ihm stand weit offen. Alles stürzte sich dahinein. Nachdem Claude einen Augenblick Atem geschöpft hatte, erreichte er wieder die Rue de Seine. Er hatte eben Pech, es sollte nicht sein, daß er an diesem Morgen einen Kumpel von seiner Arbeit abhielt; und er ging die Straße wieder hinauf, er schlenderte langsam, ohne eine bestimmte Absicht, bis zum Place du Panthéon; dann dachte er, daß er ja immer noch in die Bürgermeisterei gehen könnte, um Sandoz guten Tag zu sagen. Da würden zehn reichliche Minuten draufgehen. Aber ihm blieb die Luft weg, als ein Bote ihm antwortete, Herr Sandoz habe wegen einer Beerdigung um einen Tag Urlaub gebeten. Die Geschichte kannte er allerdings, diesen Grund führte sein Freund jedesmal an, wenn er einen ganzen Tag zu Hause bleiben wollte, um etwas zu schaffen. Und Claude setzte sich bereits in Trab, da aber hielt ihn ein Gefühl der Brüderlichkeit unter Künstlern, die Gewissenhaftigkeit eines ehrlichen Arbeiters zurück: es war ein Verbrechen, hinzugehen und einen wackeren Mann zu stören, durch ein schwer zu bewältigendes Werk entmutigt, in dem Augenblick zu ihm zu kommen, da er möglicherweise mit seinem eigenen Werk munter vorankam.
    Von nun an mußte sich Claude damit abfinden, allein zu bleiben. Er schleppte seine schwarze Schwermut bis Mittag mit so schwerem, von dem ständigen Gedanken an seine Unfähigkeit förmlich brummendem Kopf über die Quais, daß er die geliebten Horizonte nur noch in einem Nebel sah. Dann fand er sich in der Rue de la FemmesansTête wieder, er aß dort bei Gomard zu Mittag, einem Weinausschank, dessen Schild »Au chien de Montargis32« ihn anzog. Mit Gips bekleckerte Maurer saßen da in ihren Arbeitskitteln an den Tischen; und gleich ihnen und mit ihnen aß er sein »Stammgericht« für acht Sous, die Brühe in einem Napf, in die er Brot tunkte, und die Scheibe gekochtes Rindfleisch mit Bohnen auf einem von Abwaschwasser noch nassen Teller. Das war noch zu gut für ein Rindvieh wie ihn, der nichts von seinem Beruf verstand: wenn ihm eine Studie mißglückt war, erniedrigte er sich, stellte sich tiefer als die Handlanger, deren grobe Arme wenigstens ihre Arbeit verrichteten. Eine Stunde verweilte er dort, verblödete bei den Gesprächen an den Nachbartischen. Und draußen nahm er sein langsames Wandern wieder auf.
    Aber am Place de l’HôteldeVille kam ihm ein Einfall, der ihn seine Schritte beschleunigen ließ. Warum hatte er nicht an Fagerolles gedacht? Er war nett, der Fagerolles, obwohl er Schüler der Ecole des BeauxArts war; und lustig, und nicht dumm. Man konnte mit ihm reden, sogar wenn er die schlechte Malerei in Schutz nahm. Wenn er bei seinem Vater in der Rue VieilleduTemple zu Mittag gegessen hatte, war er sicher noch da.
    Als er in diese enge Straße einbog, spürte er eine angenehme Kühle. Der Tag wurde sehr warm, und Feuchtigkeit stieg vom Pflaster auf, das trotz des reinen Himmels unter dem ständigen trottenden Trab der Vorübergehenden naß und schmierig blieb.

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