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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Augenblick verweilen. Zwischen den beiden Schaufenstern, die mit Irrigatoren, Bandagen, allen möglichen intimen und heiklen Dingen dekoriert waren, stand unter den getrockneten Kräutern in der Tür, der ein ständiger aromatischer Odem entströmte, eine hagere braune Frau, die sie beide angaffte, während hinter ihr die im Dunkel ertrunkenen Umrisse eines kleinen, bläßlichen Mannes sichtbar wurden, der sich die Lunge aus dem Leib hustete. Sie stießen sich mit dem Ellbogen an, und ihre Augen blitzten heiter, während sie schalkhaft lachten; dann drehten sie den Türgriff von Mahoudeaus Laden. Der ziemlich große Laden war fast ausgefüllt von einem Haufen Ton, einer riesenhaften Bacchantin35, die halb auf einen Felsblock hingesunken war. Die Balken, die sie stützten, bogen sich unter der Last dieser noch unförmigen Masse, in der man nur Riesenbrüste und turmhafte Schenkel unterscheiden konnte. Wasser war heruntergeflossen, schmutzige Kübel standen herum, Gipsmatsch verdreckte eine ganze Ecke, während auf den Regalen des ehemaligen Obstladens, die man an ihrem Platz gelassen hatte, in wirrem Durcheinander irgendwelche antiken Abgüsse standen, die der Staub langsam mit feiner Asche zu besäumen schien. Eine Waschküchenfeuchtigkeit, eine schaler Geruch nach nassem Ton stieg vom Fußboden auf. Und dieses Elend des Bildhauerateliers, dieser Schmutz des Gewerbes trat in der fahlen Helligkeit der beschmierten Schaufensterscheiben noch deutlicher zutage.
    »Nanu! Ihr seid’s«, rief Mahoudeau, der vor seinem Prachtweib saß und eine Pfeife rauchte.
    Er war klein, hager, hatte ein knochiges Gesicht, das mit siebenundzwanzig Jahren bereits von Runzeln durchfurcht war; die Haare seiner schwarzen Mähne hingen struppig auf eine sehr niedrige Stirn herab; und in dieser gelben Maske von wilder Häßlichkeit taten sich helle, leere Kinderaugen auf, die mit einer bezaubernden Kindlichkeit lächelten. Er war der Sohn eines Steinmetz in Plassans und hatte dort unten große Erfolge bei den vom Museum veranstalteten Wettbewerben errungen; dann war er als Preisträger seiner Heimatstadt mit einer jährlichen Beihilfe von achthundert Francs, die man ihm vier Jahre lang zahlte, nach Paris gekommen. Aber in Paris hatte er sich nicht heimisch gefühlt, hatte haltlos gelebt, war nicht zur Ecole des BeauxArts gegangen und hatte sein Jahresgeld mit Nichtstun durchgebracht, so daß er sich, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, am Ende der vier Jahre gezwungen gesehen hatte, bei einem Heiligenfigurenhändler in Stellung zu gehen, bei dem er zehn Stunden am Tag heilige Josephe, heilige Rochusse, Magdalenen, den ganzen Heiligenkalender schnitzte. Vor sechs Monaten erst hatte ihn der Ehrgeiz wieder gepackt, als er Kumpel aus der Provence wiedergetroffen hatte, fidele Kerle, von denen er der älteste war, die er einst in der Kleinkinderbewahranstalt von Tantchen Giraud kennengelernt hatte und die jetzt wilde Umstürzler geworden waren; und dieser Ehrgeiz schlug ins Gigantische um beim Umgang mit den leidenschaftlichen Künstlern, die ihn mit ihren wilden Theorien schier um den Verstand brachten.
    »Verflixt!« sagte Claude. »Das ist aber ein Brocken.«
    Entzückt zog der Bildhauer an seiner Pfeife, blies eine Rauchwolke von sich.
    »Ja, nicht wahr? – Ich werd ihnen schon Fleisch verpassen, und zwar richtiges Fleisch, nicht so was Schmalziges, wie sie selber machen!«
    »Ist das eine Badende?« fragte Sandoz.
    »Nein, ich werde ihr noch Weinreben geben … Eine Bacchantin, weißt du!«
    Aber auf einmal brauste Claude heftig auf: »Eine Bacchantin! Machst du dich denn über uns lustig, gibt es denn so was, eine Bacchantin? – Eine Weinleserin, was? Und zwar eine Weinleserin von heute, Himmeldonnerwetter! Ich weiß, du wirst einwenden, sie ist doch nackt. Also eine Bäuerin, die sich ausgezogen hat. Das muß man spüren, das muß Leben haben!«
    Verstört, zitternd hörte Mahoudeau zu. Er fürchtete Claude, beugte sich dessen Ideal von Kraft und Wahrheit. Und ihn noch überbietend, sagte er:
    »Ja, ja, das wollte ich sagen … Eine Weinleserin. Du wirst sehen, wie das nach Weib stinkt!«
    In diesem Augenblick stieß Sandoz, der um den ungeheuren Tonblock herumging, einen leisen Schrei aus:
    »Ach, da ist ja dieser Duckmäuser Chaîne!« Tatsächlich saß Chaîne, ein dicker Bursche, hinter dem Haufen und malte schweigend den ausgegangenen und verrosteten Ofen auf eine kleine Leinwand. Ihm war der Bauer anzumerken an seinen langsamen

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