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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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während am anderen Ende zwischen zwei Handtüchern ein großes Wasserbecken aus Zink angebracht war. Und inmitten der Kahlheit einer verwahrlosten Markthalle zogen besonders die Wände das Auge an, an denen sich oben auf Borden ein wüstes Durcheinander von Abgüssen aneinanderreihte und die weiter unten in einem Wald von Reißschienen und Winkelmaßen, unter einem Haufen von Zeichenbrettern, die von Gurten in Packen zusammengehalten wurden, verschwanden. Nach und nach waren alle noch freien Mauerstücke mit Kritzeleien und Zeichnungen beschmiert worden, als sei ein steigender Gischt auf die Ränder eines immer offenen Buches gespritzt. Da gab es Karikaturen von Kumpels, Umrisse von unanständigen Dingen, Worte, bei denen Gendarmen erbleichen würden, dann Sinnsprüche, Additionen, Adressen; das Ganze an der schönsten Stelle von folgender lakonischer Protokollzeile überragt und zermalmt: »Am 7. Juni hat Gorju erklärt, daß er auf den Rompreis31 pfeift. Gezeichnet: Godemard.«
    Der Maler war mit einem Grunzen begrüßt worden, mit dem Grunzen wilder Tiere, die in ihrer Höhle gestört werden. Reglos verharrte er beim Anblick des Raumes am Morgen nach der »Karrennacht«, wie die Architekten diese Nacht angestrengtester Arbeit nannten. Seit dem Vorabend war das ganze Atelier, sechzig Schüler, hier eingeschlossen, und diejenigen, die keine Entwürfe einzureichen hatten, »die Neger«, halfen den anderen, den Wettbewerbsteilnehmern, die sich im Rückstand befanden und nun gezwungen waren, in zwölf Stunden die Arbeit von acht Tagen zusammenzuhauen. Gleich um Mitternacht hatte man sich den Bauch mit Wurst und Wein vollgeschlagen. Gegen ein Uhr hatte man zum Nachtisch drei Damen aus einem benachbarten Haus kommen lassen. Und ohne daß die Arbeit langsamer vonstatten ging, war das Fest im Pfeifenqualm in ein römisches Gelage ausgeartet. Übrig geblieben waren davon auf dem Fußboden verstreute fettige Papierfetzen, die Böden zerschlagener Flaschen und anrüchige Pfützen, die von den Dielen aufgesogen wurden, während in der Luft noch der beißende Dunst der in den eisernen Leuchtern ertrunkenen Kerzen und der saure Moschusgeruch der Damen lag, vermischt mit dem Geruch der Würste und des schlechten Rotweins.
    Wilde Stimmen brüllten:
    »Raus! – So eine Fresse! – Was will denn dieser Strohkopf? – Raus! Raus!«
    Benommen schwankte Claude einen Augenblick unter der Heftigkeit dieses Sturms. Man verfiel hier auf scheußliche Worte, selbst für die vornehmsten Naturen galt es als besonders schick, einander in Zoten zu überbieten. Und er faßte sich, er antwortete, da erkannte ihn Dubuche. Der war hochrot geworden, denn er konnte solche unvorhergesehenen Vorkommnisse nicht ausstehen. Er schämte sich seines Freundes, er kam unter dem Gejohle, das sich nun gegen ihn kehrte, angerannt und stammelte:
    »Wie! Du bist es! – Ich hatte dir doch gesagt, daß du nie hier reinkommen sollst … Warte einen Augenblick im Hof auf mich.«
    In diesem Augenblick wäre Claude, der zurücktrat, beinahe von einem kleinen Handkarren überfahren worden, den zwei bärtige Kerle im Galopp anbrachten. Nach diesem Karren hatte die Nacht der Schwerarbeit ihren Namen bekommen, und seit acht Tagen riefen die Schüler, die durch die niederen Lohnarbeiten draußen in Verzug geraten waren, immer wieder: »Wenn ich bloß erst im Karren wäre!« Sowie er erschien, brach ein Radau los. Es war drei Viertel neun, man hatte gerade noch Zeit, zur Ecole des BeauxArts zu kommen. In heillosem Durcheinander leerte sich der Raum; inmitten der Anrempeleien brachte jeder sein Reißbrett heraus; wer unbedingt noch eine Einzelheit fertigmachen wollte, wurde gestoßen, weggerissen. In weniger als fünf Minuten waren die Reißbretter von allen im Wagen aufgestapelt, und die beiden bärtigen Kerle, die beiden, die als letzte im Atelier angefangen hatten, spannten sich vor wie Tiere und rannten los, während die Woge der anderen schrie und hinten schob. Es war, als breche eine Schleuse, die beiden Höfe wurden mit dem Getöse eines Wildbachs durcheilt, die Straße überschwemmt, überflutet von dieser brüllenden Horde.
    Claude jedoch hatte angefangen, neben Dubuche herzurennen, der hinterdreinlief und sich sehr ärgerte, daß ihm nicht eine Viertelstunde mehr geblieben war, um eine Tuschzeichnung sorgfältig auszuarbeiten.
    »Was machst du denn nachher?«
    »Oh, ich habe den ganzen Tag Besorgungen zu machen.«
    Der Maler sah verzweifelt, daß dieser Freund ihm

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