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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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leben konnte, als habe er dort die Leiche einer toten Liebe zurückgelassen. Nein, nein, drei Treppen hochgehen, die Tür aufmachen, sich einschließen und so was vor sich haben: das ging über seine Kraft und über seinen Mut! Er überquerte die Seine, er ging die ganze Rue SaintJacques hinunter. Da war eben nichts zu machen! Er war zu unglücklich, er ging in die Rue d’Enfer, um Sandoz von der Arbeit abzuhalten.
    Die kleine Wohnung im vierten Stock bestand aus einem Wohnzimmer, einer Schlafstube und einer engen Küche, die der Sohn bewohnte, während die Mutter, die gelähmt und ans Bett gefesselt war, auf der anderen Seite des Flurs ein Zimmer innehatte, in dem sie in kummervoller, freiwilliger Einsamkeit lebte. Die Straße war menschenleer, die Fenster gingen auf den weiten Garten der Taubstummenanstalt, der von der runden Krone eines großen Baumes33 und vom viereckigen Turm der Kirche SaintJacques du HautPas überragt wurde.
    Claude traf Sandoz in seinem Zimmer an, er saß über seinen Tisch gebeugt und in Gedanken versunken vor einem beschriebenen Blatt Papier.
    »Störe ich?«
    »Nein, ich arbeite seit heute früh, mir langt’s … Stell dir vor, seit nun schon einer Stunde rackere ich mich damit ab, einen schlecht gebauten Satz zurechtzubügeln, über den ich mich schon beim Mittagessen geärgert habe.«
    Der Maler machte eine Gebärde der Verzweiflung; und als Sandoz ihn in so düsterer Stimmung sah, begriff er.
    »Na, bei dir geht’s wohl nicht … Gehen wir raus. Ein tüchtiger Spaziergang, um uns ein bißchen die Beine zu vertreten, nicht wahr?«
    Aber als er an der Küche vorbeikam, hielt ihn eine alte Dame auf. Das war seine Aufwartefrau, die gewöhnlich zwei Stunden abends und zwei Stunden vormittags kam; nur am Donnerstag blieb sie den ganzen Nachmittag, wegen des Abendessens.
    »Also«, fragte sie, »es bleibt doch dabei, Herr Sandoz, Rochen und eine Hammelkeule mit Kartoffeln?«
    »Ja, wenn es Ihnen recht ist.«
    »Und wie viele Gedecke soll ich auflegen?«
    »Ach ja, das weiß man nie … Legen Sie immerhin fünf Gedecke auf, dann werden wir ja sehen. Um sieben Uhr, nicht wahr? Wir werden uns Mühe geben, zur Zeit zurück zu sein.«
    Dann schlüpfte er, während Claude auf dem Treppenflur wartete, für einen Augenblick zu seiner Mutter hinein; und als er mit der gleichen behutsamen, zärtlichen Bewegung wieder herauskam, gingen sie beide schweigend nach unten. Nachdem er draußen nach links und nach rechts geschnuppert hatte, wie um Witterung zu nehmen, schritten sie schließlich die Straße hinunter, gerieten auf den Place de l’Observatoire und bogen in den Boulevard du Montparnasse ein. Das war ihr üblicher Spaziergang; sie kamen immer hier heraus, weil sie dieses breite SichEntrollen der äußeren Boulevards liebten, auf denen sie nach Herzenslust bummelnd umherschweiften. Sie sprachen immer noch nicht, hatten noch einen schweren Kopf, nach und nach heiterte ihr Zusammensein sie auf. Vor dem Gare de l’Ouest34 aber kam Sandoz ein Einfall.
    »Wie wär’s, wenn wir zu Mahoudeau gingen, um mal nachzusehen, wie weit der mit seinem großen Dings ist? Ich weiß, daß der für heute seine Heiligenbilder an den Nagel gehängt hat.«
    »Einverstanden«, antwortete Claude. »Gehen wir zu Mahoudeau.«
    Sie gingen sofort in die Rue du ChercheMidi. Der Bildhauer Mahoudeau hatte ein paar Schritte vom Boulevard du Montparnasse den Laden eines bankrott gegangenen Obsthändlers gemietet; da hatte er sich eingerichtet und sich damit begnügt, die Fensterscheiben mit einer Schicht Kreide zu beschmieren. An dieser breiten und menschenleeren Stelle wirkte die Straße bieder wie in einer Provinzstadt, und dieser Eindruck wurde durch einen leichten Kirchengeruch noch verstärkt: Toreinfahrten standen gähnend offen und ließen sehr tiefe Fluchten von Höfen sehen; einem Kuhstall entströmte der warme Dunst der Streu, eine Klostermauer zog sich schier endlos dahin. Und hier zwischen dem Kloster auf der einen Seite und einem Kräuterladen auf der anderen befand sich der Laden, der zu einem Atelier geworden war und auf dessen Ladenschild immer noch in großen gelben Buchstaben »Obst und Gemüse« geschrieben stand.
    Claude und Sandoz hätten von den seilspringenden Mädchen beinahe eins abbekommen. Auf den Bürgersteigen saßen ganze Familien, deren Stuhlbarrikaden die beiden zwangen, auf den Fahrdamm auszuweichen. Dennoch gelangten sie schließlich ans Ziel, da ließ sie der Anblick des Kräuterladens einen

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