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Das Werk der Teufelin

Titel: Das Werk der Teufelin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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üblich.«
    Überrascht sah Almut ihn an, und ein dankbares Lächeln stahl sich in ihre Mundwinkel.
    »Danke, Pater.« Sie atmete tief durch und fand, jetzt oder nie sei der richtige Augenblick gekommen, um von dem zweiten Flüchtling zu sprechen.
    »Ihr habt mir geholfen, aber ich muss Euch noch etwas gestehen. Ich fürchte allerdings, danach sitzt mein Kopf wirklich locker auf meinem Hals…«
    »Ah, Ihr schätzt den dramatischen Aufbau Eurer Geständnisse. Ich wappne mich für das Schlimmste!«
    »Tut das, Pater. Denn – nun ja, Ihr habt gestern nach einem Novizen gefragt, der verschwunden ist.«
    Pater Ivo hob ruckartig den Kopf. Die Sonne ließ sein graues Haar aufleuchten, das noch Spuren von Schwarz enthielt, und seine dunklen Augenbrauen zuckten in die Höhe.
    »Sagt nur, Ihr beherbergt auch diesen Flüchtling?«
    »Aber nein, Pater. Ihr wisst, wir dulden keine Männer bei uns. Doch ich begegnete am Montag einem Novizen, der von einer Gruppe Händler als Dieb verfolgt wurde. Ich… mh, nun ja… ich half ihm, sich zu verstecken!«
    »Macht Ihr Euch das zur Gewohnheit?«
    »Nein, nur der Junge war so verängstigt, dass er mir Leid tat.«
    »Ihr habt ein wenig wirre Gefühle, Begine. Gewöhnlich bedürfen diejenigen, denen Schaden zugefügt wurde, des Mitleids, nicht die Täter.«
    »Er hatte nichts gestohlen. Er wollte etwas tauschen.«
    »Darum hat man ihn verfolgt, natürlich.«
    »Ach, hört doch erst einmal zu, Pater Ivo!«
    Er sandte ihr einen langen Blick und lehnte sich mit einem resignierten Schulterzucken zurück.
    »Ich habe natürlich darüber nachgedacht, Pater Ivo. Ihr kennt den jungen Mann – haltet Ihr den Novizen Ewald für einen Dieb?«
    »Nein, Begine. Ich halte ihn für einen sehr belesenen, klugen Jungen, der Freude an der Gelehrsamkeit hat. Umso unverständlicher ist es mir, warum er sich auf so – dramatische? – Art mit Euch bekannt gemacht hat.«
    »Euch ist nicht zufällig schon einmal der Gedanke gekommen, er könne Angst haben?«
    »Herr im Himmel, wovor sollte Ewald Angst haben?«, brauste Pater Ivo auf. »Er hatte eine Aufgabe, die ihn fesselte und die er mit Hingabe verfolgte. Er war gut gelitten unter den Novizen und den Brüdern und hatte die Möglichkeit, das Studium der Schriften zu vertiefen. Kein Mensch hat ihm je gedroht!«
    Sein Blick sprühte, doch Almut schaffte es, ihm standzuhalten.
    »Er hat Angst vor Euch, Pater Ivo!«
    »Was? Vor mir?« Der Benediktiner starrte sie unter zusammengezogenen Brauen an. »Ich habe ihn immer mit großem Wohlwollen behandelt.«
    »Immer?«
    »Nein, natürlich nicht immer. Wenn er eine Verfehlung begangen hat, habe ich ihm selbstverständlich ins Gewissen geredet und ihm eine Buße auferlegt. Aber diese Bußen waren stets durchaus angemessen und nicht überaus schwer. Ich kann nicht glauben, dass daraus eine solche Angst rührte, die ihm die Flucht als den einzigen Ausweg erscheinen lassen musste.«
    »Nein, die Buße war es nicht. Er fühlte sich von Euch gedrängt, oder besser wohl, gezwungen, seine Gelübde so bald wie möglich abzulegen.«
    »Ich habe ihn nie gezwungen! Begine, was behauptet Ihr da!«
    »Das, was Ewald mir berichtete.«
    »Großer Gott, wie käme ich dazu, jemanden zu zwingen, gegen seinen Willen ins Kloster einzutreten? Ihr müsst Euch verhört haben!«
    »O nein, Pater, das habe ich nicht.«
    Pater Ivo stand auf und ging ein paar Schritte den Weg auf und ab. Almut beobachtete ihn, stützte die Ellenbogen auf die Knie und legte das Kinn in die Hände. Sie sah, wie sehr er an ihrer Behauptung zu kauen hatte. Zwischen seinen Brauen hatte sich eine tiefe Falte eingegraben, und er strich sich mehrmals durch den Bart. Die beiden schwarzen Strähnen, die von den Mundwinkeln nach unten liefen, verliehen ihm schon üblicherweise einen grimmigen Ausdruck. Die Miene, die er jetzt zur Schau trug, war nur noch mit einem düster herannahenden Ungewitter zu vergleichen. Als ein wenig befremdlich registrierte Almut seine widersprüchliche Meinung zu Berufung und Gelübden, aber das war im Augenblick nicht das Hauptproblem. Schließlich kehrte Pater Ivo wieder zur Bank zurück und ragte in seiner schwarzen Kutte wie ein Unheil dräuender Schatten vor der sitzenden Almut auf. Von seiner ganzen, beachtlichen Höhe hinab grollte er: »Mache ich auf Euch den Eindruck, ich könne jemanden zu einem solchen Schritt zwingen?«
    Sie blinzelte zu ihm hoch und meinte trocken: »Selbst wenn Ihr es vielleicht nicht tun würdet, Pater Ivo, so

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