Das Werk der Teufelin
Mann in der Kirche. Einen, den Ihr dort ebenfalls gesehen habt?«
Pater Ivo sah sie überrascht an.
»Ihr wisst davon?«
»Mein Vater, der Baumeister, hat ihn bei den Aufräumarbeiten entdeckt. Woher erfuhrt Ihr davon?«
»Der Vogt berichtete es unserem Abt. Ich wollte es Euch heute erzählen. Nun gut, Ewald. Hast du jemanden dort gesehen?«
»Nein. Als ich ging, war nur noch Johanna in der Kirche. Ich weiß nicht, wie lange sie blieb oder ob sie sich dort noch mit einem anderen Mann oder dem Domherren verabredet hatte. Sie ist eine Hure, wie Ihr wisst.«
»Und deshalb empfängt sie ihre Freier in der Kirche und ermordet sie dann. Ihr seid ziemlich verbohrt, Jung Ewald! Ich schlage vor, Ihr bleibt noch eine Weile hier bei Meister Krudener, so er Euch Dickkopf weiter beherbergen will, und denkt über Eure Gefühle und Eure Ziele nach. Wir werden uns in der Zeit bemühen, herauszufinden, was wirklich geschehen ist. Dann könnt Ihr noch immer entscheiden, ob Ihr das weltliche oder das geistliche Leben vorzieht.«
Trine hatte während der Auseinandersetzungen begonnen, eine Mahlzeit auf den Tisch zu stellen. Sie hatte auch wieder die Kanne mit dem würzigen Kräuteraufguss bereitgestellt, doch sie verzichtete darauf, ihn mit der brennenden Flüssigkeit aus dem Krüglein anzureichern. Wie erwartet beruhigten sich die Gemüter über dem Essen ein wenig, wenngleich die Runde sehr schweigsam blieb. Schließlich ergriff Pater Ivo das Wort.
»Ich denke, Ewald, die Begine hat dir einen guten Rat gegeben.«
Ewald zuckte mit den Schultern.
»Hört auf Frau Sophia, Ewald.«
»Sophia?«
»Meister Krudener meint die Weisheit, hier in Gestalt einer grauen Begine. Und der Weisheit sollte ein Mann vertrauen, auch ›wenn sie sich anfangs verstellt und ihm Angst und Bange macht und ihn mit Strenge erzieht‹, wie Sirach sagt. Er muss solche wie Euch gekannt haben, Begine!«
Es schien ihr, als zucke ein Mundwinkel unter dem Bart, aber ganz sicher war sie sich nicht. Auf jeden Fall stimmte Ewald dem Bleiben zu, und auch der Apotheker tat kund, er sei ganz zufrieden damit, seinen Gehilfen weiterhin zu beschäftigen.
»Gut, dann ist wenigstens das geregelt. Begine, ich werde Euch jetzt nach Hause begleiten. Aber vorher verratet mir doch bitte, womit Ihr diesen armen Jungen derart betrunken gemacht habt, dass er an diesem Morgen wie ein ausgewrungenes Leintuch über dem Stuhl hängt?«
Almut sah zu Trine hin und deutete mit dem Finger an die Zunge und dann auf Pater Ivo. Trine grinste und goss in seinen halbgefüllten Becher einen guten Schluck aus dem Krüglein mit ihrem selbst gebrannten Weingeist. Misstrauisch schnupperte Pater Ivo daran.
»Ihr könnt es unbesorgt trinken, in kleinen Mengen ist es sehr bekömmlich.«
Er nippte daran und nickte dann anerkennend. Dann trank er den Rest mit Behagen aus.
»Und jetzt wollen wir gehen, Pater Ivo«, drängte Almut, erhob sich und umarmte Trine zum Abschied. Als sie sich aber von Meister Krudener verabschiedete, enthielt sein Gackern eine gehörige Portion Schadenfreude.
»Das Zeug hat eine verdammte Nebenwirkung, Ivo. Trine nennt es den Zungenlöser. Also passt auf, was Ihr Frau Almut unterwegs erzählt!«
Die Luft war klar und frisch, als sie aus dem Haus traten, und der Wind war abgeflaut. Die Mittagssonne hatte es geschafft, einige Strahlen durch die dunklen Wolkenberge zu schicken, und die Pfützen und Wasserlachen glitzerten zu ihren Füßen.
»Schön, Pater Ivo, dann plaudert nur unverdrossen. Ich bin gespannt auf alles, was Ihr mir zu sagen habt.«
»Ich fürchte, um meine Zunge zu lösen, bedarf es mehr als nur einen Schluck hoch konzentrierten Alkohols, Begine.«
»Ah, ich verstehe, Ihr kennt dieses Zeug und seid daran gewöhnt.«
»Ich kenne es, gewöhnt bin ich nicht daran. Immerhin eine erstaunliche Arbeit Eurer Trine. Sie ist wahrlich sehr geschickt darin, die Wirkungsweisen ihrer Mittel einzusetzen. Gewöhnlich wendet man den Geist des Weines äußerlich an, aber ich gestehe, die innere Anwendung hat auch ihren Reiz. In kleinen Dosen!«
»Ja, dem armen Ewald hat sie zu viel des Zungenlösers eingeschenkt, die Nachwirkungen scheinen grässlich zu sein. Aber wenigstens hat er jetzt mit Euch seinen Frieden gemacht, oder?«
»Nennen wir es Waffenstillstand. So, und nun berichtet von dem, was Ihr zu der Teufelin herausgefunden habt, die unter Euch weilt. Ist es Johanna?«
»Ich weiß es nicht, Pater. Sie ist sehr verstockt, aber jetzt haben wir natürlich
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