Das Werk der Teufelin
demütig, jedoch gleichzeitig als ein wenig tumb.«
»Das ist auch mein Eindruck. Armes Kind. Sie scheint nicht viel gelernt zu haben, sie wimmert ihre Gebete und Psalmen einfach sinnlos vor sich hin. Lesen und schreiben kann sie nicht, und mit Handarbeiten kommt sie auch nicht besonders gut zurecht. Aber sagt, hat irgendjemand eine Vorstellung davon, warum sie fortgelaufen sein kann? Denn gerade weil sie die Welt nicht kennt, muss doch wohl etwas Einschneidendes geschehen sein, weshalb sie so einfach ihr sicheres Zuhause verließ.«
»Dazu konnte Bruder Jakob nichts sagen. Es scheint, sie war bei einigen der Novizinnen nicht besonders beliebt. Aber so was kommt ja ab und zu vor.«
»Ich werde auch sie befragen müssen. Ei wei, das wird schwierig! Ich habe sie leider schon ein paarmal angefahren. Mal sehen, ob Clara mehr aus ihr herausbekommt. Oder Rigmundis. Sie ist sanfter als ich!«
»Eine löbliche Eigenschaft, Begine.«
»Nicht wahr? Aber Ihr könntet versuchen, auf ebenso sanfte Art aus Eurem Bruder Jakob doch noch mehr herauszuholen. Beispielsweise, warum das Schäfchen die sichere Weide verlassen hat. Ich denke, Nonnen sind nicht viel anders als andere Frauen und werden über einen solchen Fall ein bisschen – klatschen?«
»Ihr meint, ich solle mir haltlose Gerüchte anhören, Begine?«
»Oder gar Schlimmeres! Solltet Ihr noch einen Krug dunklen Burgunders zur Hand haben…«
»Wollt Ihr mich anstiften, Bruder Jakob dazu zu bringen, das Beichtgeheimnis zu lüften?«
»Aber Pater, wie könnte ich!«
»Ihr könntet, Begine, Ihr könntet.«
Sie hatten das Tor des Beginenhofes erreicht, und Almut klopfte an die Pforte. Sie drehte sich zu dem Benediktiner um und erkannte im Schatten seiner Kapuze seine Augen funkeln.
»Es mag zwar ein äußerst unangenehmer Fall sein, der uns wieder zusammengeführt hat, Pater Ivo, aber ich bin irgendwie froh, mit Euch darüber reden zu können.«
»Als Priester muss ich ständig ein offenes Ohr für die Bedürfnisse der Ratlosen haben. Es freut mich, dass Ihr es so seht, denn: ›Liebes Kind, gehorche meiner Lehre und weise meinen Rat nicht zurück.‹«
Almut grinste, und ihre Augen sprühten. »Ihr habt es herausgefordert, Pater, dass ich Sirachs Wort genau beherzigen muss. ›Streite nicht mit dem großmäuligen Schwätzer, damit du nicht noch Holz zu seinem Feuer trägst.‹«
Er lächelte sie an und zwinkerte.
»›Wer sich über eine Bosheit freut, den wird man verachten, und wer etwas nachschwatzt, dem fehlt es an Verstand.‹ Maria, die geduldige Mutter, schütze Euch, Begine. Wir treffen uns hier morgen nach der Prim und suchen die Weverin auf.«
21. Kapitel
Der ehrwürdige Vater, Abt Theodoricus, war äußerst ungehalten. Oder besser gesagt, er war, ganz gegen seine sonstige bedächtige Natur, überaus erbost. Sogar noch lange nachdem sein ungeduldiger, jähzorniger und rachsüchtiger Besucher endlich gegangen war. Er hatte ihn nicht nur direkt nach der Messe am Sonntag geradezu überfallen, er war obendrein in voller Bewaffnung in seine Stube gepoltert und hatte sich geweigert, sein Schwert und den Dolch abzulegen. Vater Theodoricus hatte sich geweigert, nur ein Wort mit ihm zu sprechen, Ritter hin, Ritter her, solange er nicht die Waffen aus dem Klosterbereich entfernte. Murrend fügte der Mann sich schließlich, und Bruder Ingolf hatte die Mordwerkzeuge zur Pforte gebracht. Der ungehobelte Mensch hatte sich schließlich als Gisbert von Antorpf vorgestellt und sich als der Bruder des verstorbenen Domherren ausgewiesen. Vater Theodoricus war zunächst erfreut darüber, dass sich nun endlich jemand um den aufgebahrten Leichnam kümmern und Vorgaben zur Beisetzung machen würde. Aber der Ritter hatte seine Forderungen in einer derart unhöflichen Form vorgebracht, dass man den Eindruck gewinnen konnte, Vater Theodoricus und seine Mönche hätten den verd…, also, den ärgerlichen Domherren eigenhändig und vorsätzlich ermordet.
Zunächst hatte der Abt, nachsichtig und verständnisvoll wie er war, geglaubt, der edle Gisbert von Antorpf sei auf Grund namenloser Trauer derart erregt, dass er sich in haltlosen Anschuldigungen Luft machen musste. Aber Trauer, wurde ihm allmählich klar, war das letzte Gefühl, was dieser Mann aufbrachte. Als sie gemeinsam zur Aussegnungskapelle schritten, sprach er unablässig von Rache und Vergeltung. Und die wollte er vor allem an den elenden Klosterschwestern verüben, diese Teufelinnen, die für den Mord
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