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Das Werk der Teufelin

Titel: Das Werk der Teufelin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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verantwortlich waren. Vater Theodoricus hatte Mühe, dem aufgebrachten Ritter zu erklären, dass die Beginen, auf die die letzten Worte des Verstorbenen hindeuteten, keine Nonnen waren. Und auch wenn er selbst die Beginen nicht sonderlich schätzte – sie waren ihm zu freidenkerisch und zu unabhängig –, war er doch ein gerechter Mann und verurteilte sie nicht ohne Anlass. Schon gar nicht wollte er ihnen diesen Mord, wenn es denn einer war, in die Schuhe schieben. Doch seine Worte prallten an den Vorurteilen des Ritters ab wie ein Wollbällchen an seiner eisernen Rüstung. Und dann, als sie an der Bahre standen, fuhr Gisbert von Antorpf plötzlich den ehrwürdigen Vater an: »Außerdem habt Ihr auch noch dieses Gerücht ausgestreut! Das meinen Bruder zum Gespött der ganzen Stadt gemacht hat. Ihr habt den Ruf derer von Antorpf in den Dreck gezogen.«
    »Wie bitte? Wir haben keine Gerüchte ausgestreut! Was soll das heißen?«
    »Es muss von Euch stammen, woher denn sonst? Die Spatzen pfeifen es von den Dächern!«
    »Ja, was denn, Herr von Antorpf? Was pfeifen sie?«
    »Man habe meinen Bruder nicht nur getötet, sondern auch noch entmannt!«
    »Das ist kein Gerücht«, stellte Vater Theodoricus trocken fest. »Das ist eine Tatsache!« Da der Ritter mit Worten nicht zu überzeugen war, schlug er das Leichentuch auf und enthüllte ihm die Wunde am Unterleib des Domherren. Gisbert erbleichte. Dann knirschte er mit den Zähnen und schwor eine solche höllische Rache, vor deren Bildhaftigkeit sich Vater Theodoricus am liebsten die Ohren verstopft hätte.
    »Die Rache ist mein, spricht der Herr, ich will Vergeltung üben!«, zitierte er schließlich mit Nachdruck, als der Ritter eine Pause machte, um Atem für die nächste Hasstirade zu schöpfen.
    »Der Herr kann mir gestohlen bleiben. Die Beginen, oder wie Ihr auch immer diese heuchlerischen Betschwestern nennt, werden mir dafür büßen!«
    »Niemand kann sagen, wer Eurem Bruder diese Verletzung zugefügt hat, Herr von Antorpf. Es ist, wie unser Infirmarius vermutet, bereits vor mindestens sechs Wochen geschehen und hat nichts mit seinem Tod unter der Glocke des brennenden Kirchturms zu tun. Geht morgen zum Vogt Wigbold Raboden. Es gibt nämlich noch einen unbekannten Toten, der zusammen mit Eurem Bruder in Sankt Kunibert gefunden wurde. Hört mit Euren haltlosen Verdächtigungen und dem Rachegeschrei auf. Lasst endlich Euren Verstand walten!«
    Aber diese Mahnung traf auf taube Ohren, und der Ritter wütete noch eine Weile weiter, bis Vater Theodoricus ihn schließlich dazu bringen konnte, mit dem Bruder, der in der Aussegnungskapelle seinen Dienst tat, die Einzelheiten der Bestattung zu besprechen. Pater Ivo, der ahnungslos von seinem Besuch bei dem Apotheker Krudener zurückkam, fand den Befehl vor, sich sofort bei dem Abt einzufinden, und geriet bei seinem Obersten in einen ganz ungewöhnlichen Ausbruch von Missvergnügen. Er bekam ein paar herzhafte Vorwürfe wegen seiner langen Abwesenheit zu hören, lauschte dann schweigend der Schilderung des Ritters und seines Benehmens und beschloss, seinem Abt zunächst noch nichts von dem abtrünnigen Novizen Ewald zu berichten.

22. Kapitel
    Auch Almut musste sich wegen ihrer langen Ab wesenheit vorwurfsvolle Blicke gefallen lassen. Vor allem Thea ließ einige Bemerkungen über Anmaßung und Sonderregelungen fallen, die mit ihrem Status als Magdas Vertreterin zu tun hatten. Verärgert schluckte Almut ein paar scharfe Erwiderungen hinunter und ging daran, die Aufzeichnungen über die Ausgaben der vergangenen Woche zu machen. Magda hatte ihr besonders ans Herz gelegt, diese nicht zu vernachlässigen. Die Herkunft aus einer erfolgreichen Händlerfamilie ließ sich bei ihr nicht leugnen, aber dadurch führte sie die Gemeinschaft mit sicherer Hand und so erfolgreich, dass keine der Beginen je Mangel leiden musste.
    Als sie das Pergament endlich zusammenrollte, war über ihre Schreibarbeiten der graue, wolkenverhangene Nachmittag fast vergangen. Der Regen rauschte nun gleichmäßig vom Himmel, und die Bewohnerinnen des Konventes beschäftigten sich alle mit ruhigen Arbeiten, sie stickten, nähten oder lasen. Als Almut über den Hof ging, warf sie einen Blick in den Stall. Auch dort herrschte eine schläfrige Stimmung. Die Hühner saßen mit aufgeplustertem Gefieder auf ihrer Stange, die mäkelige Ziege kaute einige Strohhalme, und die Sau grunzte nur hin und wieder im Schlaf vor sich hin. Almut trat in ihr Zimmer, von der

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