Das Werk der Teufelin
zurückkehrte, traf er auf den ebenfalls vermaledeiten Priester, der sich ausbedungen hatte, die Gefangenen besuchen zu dürfen, um ihnen geistlichen Trost und Zuspruch zu gewähren. Mit seinem christlichen Gewissen konnte Wigbold Raboden es ihm nicht verwehren. Außerdem hatte der Mann eine unerquickliche Art, einen so anzusehen, dass man sich schlimmer fühlte als ein Stück fauliges Fleisch im Kochtopf des Teufels. Der Vogt grüßte ihn zwar höflich, aber von seinen Plänen verriet er dem Benediktiner natürlich nichts. Doch als der sich später von ihm mit einem frommen Segen verabschiedete, hatte er das Gefühl, statt dieses Segens schwebe eher ein ausgesprochen unangenehmer Fluch über ihm.
Die Glocken läuteten schon zur Vesper, und Pater Ivo war mehr als beunruhigt, als er die Hacht verließ. Schon der Hinweis, dass der Vogt sich an die Marspforte begeben hatte, war ihm bedenklich erschienen. Das Gespräch mit Magda, und anschließend das mit Ursula, veranlassten ihn, sich auf dem schnellsten Weg zu den Beginen aufzumachen. Ganz abgesehen davon, hatte er inzwischen eine deutliche Vorstellung, wer die wahre Teufelin sein musste. Eile war geboten!
29. Kapitel
Die Nachbarn ließen mich und meine Schwester für tot liegen«, erzählte Thea Almut. »Erst die Totenwäscherin bemerkte, dass wohl doch noch etwas Leben in uns war. Eine gute alte Seele, die es nicht über sich brachte, ein zwölfjähriges Mädchen und ein zwei Jahre altes Kleinkind dem Schicksal zu überlassen.«
Nach dem gemeinsamen Morgenmahl hatte Thea eine wortkarge und nach wie vor erboste Almut gebeten, ihr etwas Zeit zu widmen. Mit einem kühlen Nicken hatte sie eingewilligt, und so saß sie jetzt in Theas Kammer und lauschte der Geschichte, die sich vor dreißig Jahren ereignet hatte.
Theas Eltern bewirtschafteten einen Hof vor den Mauern der Stadt. Er lag etwas abgelegen, und als ein ansteckendes Fieber die Kinder und die Eltern niederwarf, flohen die Knechte und Mägde, ohne Hilfe zu holen. Drei ihrer Geschwister starben, dann schließlich auch die Eltern. Thea, die bis zuletzt verschont geblieben war, hatte sie gepflegt und war dann selbst, schwach und fiebernd, zusammengebrochen. Wie durch ein Wunder hatte das allerjüngste Mitglied der Familie ebenfalls überlebt, und die Totenwäscherin hatte beide Mädchen aufgenommen und gesund gepflegt. Sie tat das natürlich nicht ganz ohne Eigennutz, denn Thea musste anschließend hart arbeiten. Die alte Frau bürdete ihr mehr und mehr Pflichten auf, um sich selbst zu schonen. Elf Jahre lang war sie ihre Gehilfin, Köchin und Pflegerin, kümmerte sich gleichzeitig um ihre kleine Schwester und lernte dabei, nicht nur zu leiden, ohne zu klagen, sondern genauso gründlich das Geschäft, herzzerreißend zu klagen, ohne dabei zu leiden. Als die Totenwäscherin starb, war Thea vierundzwanzig, ihre kleine Schwester vierzehn Jahre alt. Sie hatte eine Lehrstelle bei einer Goldspinnerin gefunden, die eine entfernte Verwandte der Totenwäscherin war und keine Bedenken hatte, das elternlose Mädchen aufzunehmen. Thea hätte das Geschäft der Totenwäscherin alleine weiterführen können, aber sie hatte andere Pläne für ihre Zukunft. Oft genug war sie bei ihren Aufgaben den Beginen begegnet, und da sie wenig Möglichkeiten sah, einen anständigen Mann zu finden, hatte sie beschlossen, sich ihnen anzuschließen.
»Die damalige Meisterin hat mich genommen, obwohl ich keine große Mitgift einbringen konnte. Aber meine Kenntnisse waren ihr willkommen.« Sie schüttelte mit einer zutiefst resignierten Miene den Kopf, und Almut begann zu ahnen, was in ihr vorgegangen war.
»Achtzehn Jahre bin ich nun schon in dem Konvent, Almut. Und seit meinem zwölften Lebensjahr habe ich es tagein, tagaus mit Sterbenden und Toten zu tun. Ich pflege sie, wache bei ihnen, bahre sie auf, klage um sie und bete für sie. Ich kann nicht mehr. Du weißt, ich war im Sommer bei meiner Schwester. Sie hat es gut getroffen. Einen Goldschläger hat sie geheiratet und ist mit ihm nach Remagen gezogen. Sie hat sechs Kindern das Leben geschenkt und sie großgezogen. Die Älteste ist jetzt verheiratet und hat gerade ihr erstes Kind bekommen. Wegen dieser Geburt bin ich zu ihnen gereist. Und weißt du, Almut, als ich sah, wie viel lebhafte Jugend in diesem Haus herrschte, überfiel mich eine entsetzliche Unzufriedenheit mit meinem Dasein. Ich konnte es kaum über mich bringen, wieder zurückzukehren. Versteh mich nicht falsch, das Leben als
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