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Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Gilbert
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dazu angetan, die sinnliche Atmosphäre mit Frohsinn aufzulockern, doch auch die Männer begannen bald damit, ihre Bewegungen bis an die Grenzen des Frivolen zu führen. Ein wiederkehrender Scherz bestand darin, dass die Männer versuchten, eine Tänzerin zu erhaschen, wobei die Dame anmutig auswich, ohne auch nur ein Mal aus dem Takt zu geraten. Selbst die kleinsten Kinder verstanden offenbar alle verborgenen Anspielungen, die in der Darbietung zum Ausdruck kamen, und kugelten sich auf eine Weise vor Lachen, die sie ihrem Alter weit voraus erscheinen ließ. Irgendwann stürzte sich auch Schwester Manu – dieses leuchtende Vorbild christlicher Sittsamkeit – ins Getümmel, mischte sich unter die hura -Tänzerinnen und wiegte ihren massigen Körper mit erstaunlicher Eleganz. Als einer der tanzenden jungen Männer ihr nachzustellen begann, ließ sie sich unter den Begeisterungsstürmen des Publikums tatsächlich fangen. Der Tänzer drückte sich an ihre Hüfte und vollführte eine Folge von Bewegungen, die in ihrer Eindeutigkeit keinen Zweifel zuließen, doch Schwester Manu warf ihm nur komisch übertriebene, kokette Blicke zu und tanzte weiter.
    Aus dem Augenwinkel beobachtete Alma Reverend Welles, der jedoch einfach nur entzückt schien von allem, was er da sah. Neben ihm saß Tomorrow Morning, in der tadellosen Haltung und Aufmachung eines Londoner Gentleman. Im Laufe des Abends setzten sich immer wieder Leute zu ihm, um ihre Nasen an seine zu drücken und ihn persönlich zu begrüßen. Er empfing sie alle mit derselben Mischung aus Souveränität und Großmut. Wahrhaftig, Alma hatte nie zuvor einen schöneren Menschen gesehen. Auf Tahiti war körperliche Schönheit weit verbreitet, und nach einiger Zeit gewöhnte man sich daran. Hier waren die Männer schön, die Frauen noch viel schöner und die Kinder am allerschönsten. Wie bleich, bucklig und storchenbeinig sich doch die meisten Europäer im Vergleich mit den wundersamen Tahitianern ausnahmen! Dies war bereits Hunderte von Malen geäußert worden, von vielen hundert fassungslosen Fremden. Schönheit war hier also wahrhaftig keine Mangelware, und Alma hatte viel davon zu sehen bekommen – doch Tomorrow Morning war der Schönste von allen.
    Seine Haut war von dunklem Glanz, sein Lächeln wie ein sich langsam erhebender Mond. Wen er auch ansah, sein Blick war voller Güte und Licht. Man konnte die Augen nicht von ihm lassen. Neben seinem anziehenden Äußeren erregte er zudem durch seine Größe Aufmerksamkeit. Er war von gewaltiger Statur, ein wiedergeborener Achill. Einem solchen Mann wäre man auf der Stelle in den Kampf gefolgt. Reverend Welles hatte Alma einmal erzählt, in den frühen Tagen der Südsee, als die Inselbewohner einander noch bekriegten, hätten die Sieger unter den gefallenen Feinden stets nach den größten und dunkelhäutigsten Toten gesucht. Entdeckten sie einen solchen geschlagenen Koloss, schnitten sie den Leichnam auf und entnahmen ihm die Knochen, um Angelhaken, Meißel und Waffen daraus zu fertigen. Die Knochen der größten Männer, so glaubte man, waren von einer gewaltigen Kraft durchdrungen und machten ihren Besitzer unbesiegbar. Alma hatte den makabren Gedanken, dass man aus Tomorrow Morning wohl ein ganzes Waffenarsenal hätte fertigen können – vorausgesetzt, es gelänge, ihn zu töten.
    Sie hielt sich am äußersten Rand des Feuerkreises, um nicht gesehen zu werden. Doch es nahm ohnehin niemand von ihr Notiz; alle waren zu sehr mit ihrer Freude beschäftigt. Die Feierlichkeiten zogen sich bis tief in die Nacht hinein. Die Flammen flackerten hell empor und warfen dabei so dunkle, verzerrte Schatten, dass man beinahe fürchten musste, über sie zu stolpern oder von ihnen gepackt und hinab ins pô gezerrt zu werden. Die Tänze wurden wilder, und die Kinder führten sich auf wie kleine Dämonen. Alma hätte im Grunde kaum erwartet, dass der Besuch eines berühmten christlichen Missionars ein derart zügelloses Gelage auslösen könnte – doch sie war ja immer noch neu auf Tahiti. Und Reverend Welles schien sich nicht daran zu stören – im Gegenteil, nie hatte er glücklicher und beschwingter gewirkt.
    Es war bereits weit nach Mitternacht, als der Reverend Alma schließlich doch bemerkte.
    »Schwester Whittaker!«, rief er. »Wo habe ich bloß meine Manieren? Darf ich Ihnen meinen Sohn vorstellen?«
    Alma trat zu den beiden Männern, die so nah am Feuer saßen, dass es schien, als stünden sie selbst in Flammen. Es war ein

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