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Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Gilbert
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widersetzt. Tomorrow Morning hatten sie sich nicht widersetzt. Vor sechs Jahren war er zum ersten Mal auf die Insel gekommen, auf durchaus bemerkenswerte Weise: allein in einem Kanu, aus dem er stieg, als er die Insel beinahe erreicht hatte. Er zog sich aus und schwamm an Land, durchmaß mühelos die tosenden Wogen, hielt dabei eine Bibel hoch über den Kopf und intonierte ein ums andere Mal: »Ich verkünde das Wort Jehovas, des einen wahren Gottes! Ich verkünde das Wort Jehovas, des einen wahren Gottes!«
    Das machte Eindruck.
    Seither hatte Tomorrow Morning dort sein missionarisches Reich errichtet. Gleich neben den heidnischen Haupttempeln der Insel hatte er etwas gebaut, das man mit Fug und Recht einen Palast hätte nennen können, hätte es sich nicht um eine protestantische Kirche gehandelt. Diese Kirche war inzwischen das größte Bauwerk Polynesiens. Sie ruhte auf sechsundvierzig Säulen, die aus den Stämmen von Brotfruchtbäumen gehauen und mit Haifischhaut glattgeschmirgelt worden waren.
    Tomorrow Morning bezifferte die Zahl seiner Konvertiten auf etwa dreieinhalbtausend. Er hatte zugesehen, wie die Menschen ihre Götzenbilder dem Feuer überantworteten. Er hatte zugesehen, wie die alten Tempel einen raschen Wandel erfuhren und von Weihestätten gewaltsamer Opferriten zu harmlosen, moosüberwucherten Steinhaufen wurden. Er steckte die Bewohner Raiateas in schlichte europäische Kleidung: Die Männer trugen Hosen, die Frauen lange Gewänder und Hauben. Die kleinen Jungen standen Schlange, um sich von ihm das Haar adrett kurz schneiden zu lassen. Er überwachte persönlich den Bau einer Siedlung aus ordentlichen weißen Häuschen. Er brachte einem Volk Lesen und Schreiben bei, das vor seiner Ankunft nicht einmal ein Alphabet gekannt hatte. Inzwischen besuchten dort täglich vierhundert Kinder die Schule und lernten ihren Katechismus. Tomorrow Morning trug dafür Sorge, dass seine Schäfchen nicht einfach nur die Worte des Evangeliums nachplapperten, sondern auch verstanden, was sie da sagten. So hatte er selbst bereits sieben Missionare ausgebildet, die er auf noch entlegenere Inseln entsandte; dort würden auch sie an Land schwimmen, die Bibel hoch über dem Kopf, und den Namen Jehovas intonieren. Die Tage der Unruhe, der Irrwege und des Aberglaubens waren vorbei. Vorbei war es mit den Kindsmorden. Vorbei mit der Vielehe. Manch einer bezeichnete Tomorrow Morning als Propheten; er selbst, so munkelte man, zog das Wort »Diener« vor.
    Alma erfuhr, dass Tomorrow Morning auf Raiatea eine Frau genommen hatte; ihr Name, Temanava, bedeutete »die Bewillkommnende«. Auch zwei kleine Töchter hatte er, die Frances und Edith hießen, nach dem Reverend und Mrs Welles, seiner Frau. Er war der angesehenste Mann auf den Gesellschaftsinseln. Alma bekam dies so oft zu hören, dass sie es bald überdrüssig wurde.
    »Und wenn man bedenkt«, sagte Schwester Etini, »dass er unserer kleinen Schule an der Matavai-Bucht entstammt!«
    Alma fand keine Gelegenheit, unter vier Augen mit Tomorrow Morning zu sprechen, bis sie ihn eines späten Abends, als sein Besuch bereits zehn Tage währte, den kurzen Weg zwischen Schwester Etinis Haus, wo er zu Abend gegessen hatte, und Schwester Manus Haus, wo er zu schlafen gedachte, allein zurücklegen sah.
    »Dürfte ich Sie einen Augenblick sprechen?«, fragte sie ihn.
    »Aber natürlich, Schwester Whittaker.« Er schien sich mühelos an ihren Namen zu erinnern. Allem Anschein nach erstaunte es ihn auch kein bisschen, dass sie so plötzlich aus der Dunkelheit zu ihm trat.
    »Gibt es irgendwo einen ruhigeren Ort, an dem wir uns unterhalten könnten?«, fragte sie. »Was ich mit Ihnen besprechen möchte, sagt sich besser im Privaten.«
    Er lachte behaglich. »Falls es Ihnen je gelungen sein sollte, Schwester Whittaker, hier in der Matavai-Bucht so etwas wie Privatheit zu finden, dann ziehe ich meinen Hut vor Ihnen. Was immer Sie mir zu sagen haben, sagen Sie es hier.«
    »Also gut«, sagte Alma, sah sich aber unwillkürlich nach möglichen Lauschern um. »Tomorrow Morning«, hob sie an, »Sie und ich sind – so glaube ich – vom Schicksal enger miteinander verbunden, als man denken sollte. Ich wurde Ihnen als Schwester Whittaker vorgestellt, doch Sie müssen wissen, dass ich für eine kurze Zeitspanne meines Lebens Mrs Pike war.«
    »Es sind keine weiteren Worte nötig«, sagte er sanft und hob die Hand. »Ich weiß, wer Sie sind, Alma.«
    Eine kleine Ewigkeit lang musterten sie einander

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